Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Der Landtag als Volks- und «Landesvertretung» 
3. Sanktionsrecht 
Die Legislative lässt sich zwar nicht mehr ausschliesslich mit dem Lan- 
desfürsten gleichsetzen. Die Konstitutionelle Verfassung von 1862 
bestimmt, dass ohne «Mitwirkung» und «Zustimmung» des Landtages 
«kein Gesetz gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt 
werden» kann ($ 24 Abs. 1 KV). Gesetzeskraft erhält ein Beschluss des 
Landtages aber erst mit der Sanktion des Landesfürsten ($ 29 KV). Sie 
räumt ihm sachlich ein Vetorecht ein.?% Ein suspensives Veto, wie es 
noch im Verfassungsentwurf des ständischen Verfassungsrates von 1848 
vorgesehen war, hätte die Machtbalance in der konstitutionellen Monar- 
chie auch normativ zugunsten des Landtages verschoben.?7 Der Lan- 
desfürst ist rechtlich nicht verpflichtet, die Sanktion zu erteilen.” Er hat 
das — «formell unbeschränkte» — Recht, die Sanktion zu verweigern.?® 
Eine Sanktionsverweigerung kommt jedoch in der Praxis kaum vor.?10 
Der Landesfürst gilt im Sinne des monarchischen Prinzips und wie es in 
der konstitutionellen Staatslehre vorherrschende Meinung war, weiter- 
hin als alleiniger Gesetzgeber,?!! wogegen der Volksvertretung lediglich 
die Befugnis zusteht, den Monarchen bei der Ausübung des Gesetzge- 
bungsrechts zu beschränken.?!? 
305 Die Sanktion ist nach allgemeiner Übereinstimmung ein gesetzgeberischer Akt bzw. 
eine gesetzgeberische Tätigkeit des Monarchen. So Walter Mallmann, Die Sanktion 
im Gesetzgebungsverfahren, S. 50. 
306 Werner Heun, Die Struktur des deutschen Konstitutionalismus, S. 370 Fn. 43 unter Be- 
zugnahme auf Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 1967, S. 347. 
307 In diesem Zusammenhang gilt es allerdings anzumerken, dass sich die staatsrechtli- 
che Stellung des Landrathes von derjenigen des Landtages unter der Konstitutio- 
nellen Verfassung von 1862 unterscheidet. Die höchste Gewalt in Bezug auf die 
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege «beruht» nach dem Verfassungsent- 
wurf von 1848 beim Fürsten und Volke vereint ($ 34). Der Fürst ist danach nicht 
mehr der Gesetzgeber. Oberste gesetzgebende Behörde ist der Landrath ($ 64). 
308 So Martin Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, S. 324. 
309 Georg Meyer / Gerhard Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 663. 
310 Albert Schädler, Landtag, JBL Bd. 1 (1901), S. 95 erwähnt für die Zeit nach 1862 für 
das 19. Jahrhundert drei Sanktionsverweigerungen. Vgl. zur Grundentlastung JBL 
Bd. 1 (1901), S. 95; im Zusammenhang mit der Sanktionsverweigerung des Sanitäts- 
gesetzes siehe auch Cyrus Beck, Der Vorbehalt des Gesetzes der liechtensteinischen 
konstitutionellen Verfassung von 1862, S. 203. 
311 So explizit $ 29 KV 1862. 
312 Walter Mallmann, Die Sanktion im Gesetzgebungsverfahren, S. 114 mit Literatur- 
hinweisen. Siehe auch die Eingangsformel der Gesetze, die gestützt auf $ 24 KV 
105
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.