Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Der Landtag als Volks- und «Landesvertretung» 
mögen der Konkurs eröffnet oder das Vergleichsverfahren eingeleitet 
worden ist, sich wegen strafbarer Handlungen in Untersuchung befin- 
den, verurteilt oder lediglich mangels Beweisen freigesprochen worden 
sind, Armenunterstützung geniessen oder bevormundet sind, auch sol- 
che Personen, die «im dienstbaren Gesindeverhältnisse zu einer anderen 
Person» stehen ($ 60 KV). 
Dieser Ausschluss vom Wahlrecht trifft u. a. die Knechte und Die- 
ner. Nicht ganz klar ist, ob auch Tagelöhner zur Kategorie von Personen 
gehörten, die keinen Beruf auf eigene Rechnung ausübten.?® Die Ein- 
engung auf ein Männerwahlrecht ist zur damaligen Zeit unbestritten.?® 
Das Wahlrecht, das zugleich auch eine Wahlpflicht begründete ($ 87 
KV), setzt jedenfalls eine «persönliche wirtschaftliche Unabhängigkeit» 
bzw. wirtschaftliche Selbständigkeit voraus.??! Solche materiellen Anfor- 
derungen an das Wahlrecht, wie sie auch in der deutschen Nationalver- 
sammlung zur Diskussion standen, bedeuteten eine erhebliche Ein- 
schränkung der Wahlrechtsallgemeinheit und -gleichheit, die zulasten 
der unteren Schichten ging. Sie werden der Repräsentationsidee des 
Landtags, der das «gesetzmässige Organ der Gesammtheit der Landes- 
angehörigen» ist ($ 39 KV), nur bedingt gerecht. Das qualifizierte Wah- 
lalter und die Verknüpfung des Wahlrechts mit dem Hausbesitz oder der 
beruflichen Unabhängigkeit haben ihren Ursprung in der Lehre des 
alten Liberalismus, wonach nur auf diese Weise «die Besten ausgelesen 
werden könnten».?? 
  
289 Peter Geiger, Geschichte, S. 289; vgl. zum Begriff der Selbständigkeit nachfolgend 
den Vorschlag der gemässigt liberalen Mehrheit des Verfassungsausschusses der 
Deutschen Nationalversammlung. 
290 Vgl. Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 410. 
291 Peter Geiger, Die liechtensteinische Volksvertretung, S. 44. Nach Dietmar Willo- 
weit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 257 Rz. 5 konnten die einzelnen Regie- 
rungen das Kriterium der wirtschaftlichen Selbständigkeit verschieden auslegen, 
sodass eine gesamtdeutsche Gleichheit nicht gegeben war. So habe Preussen von der 
Wahl nur ausgeschlossen, wer Unterstützung aus der Armenkasse erhalten hat, 
Österreich dagegen habe «alle in einem untergeordneten Dienstverhältnis Stehen- 
den» von der Wahl ausgeschlossen. Vgl. auch Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfas- 
sung der Paulskirche, S. 410. 
292 Peter Geiger, Die liechtensteinische Volksvertretung, S. 46; vgl. beispielsweise auch 
Ziffer 2 des Fürstlichen Erlasses vom 7. April 1848, die wie folgt lautet: «Die freie 
Wahl der Volksvertreter wird, auf Besitz und Bildung gegründet, statt zu finden 
haben». 
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