Volltext: Wer Bescheid weiss, ist bescheiden

Die Aktualität der benediktinischen Lebensform 
Mass und Rhythmus 
Zur Gestaltung der Zeit gehören für die Benediktiner ganz wesentlich 
die gemeinsamen Gebetszeiten und Gottesdienste. Der Rhythmus des 
Tages beginnt in Disentis um 5.30 Uhr mit Vigil und Laudes, dem 
Nacht- und Morgengebet. Es folgt ein Gottesdienst um 7.30 Uhr. Das 
Stundengebet wird wieder am Mittag und am Abend aufgenommen, 
bevor der Tag mit der Komplet, der Schlussandacht, abgeschlossen wird. 
Als Gast im Kloster kann man nach eigenem Ermessen und Empfinden 
daran teilnehmen — die «soziale Kontrolle» ist erstaunlich gering in 
einem solch grossen Haus. Zum Stundengebet der Mönche und zum 
Singen der Psalmen wäre vieles zu erklären, was hier nicht möglich ist. 
Sicherlich braucht man einen gewissen Zugang zu den Psalmentexten 
und ihrer alttestamentlichen Poesie; und sicherlich braucht man eine 
gewisse Musikalität, ein gewisses Rhythmusgefühl, um in den Gesang 
der Mönche mit einstimmen zu können. Dann aber kann die Teilnahme 
am Stundengebet eine sehr berührende Erfahrung sein. Ein solcher 
Rhythmus des Tages und die Rhythmen der Gesänge ordnen die Zeit 
und ordnen damit auch das Innere des Menschen. Mit Recht stellt Bruno 
Rieder fest, dass gerade für den suchenden Menschen ein klar abgesteck- 
ter Lebensrahmen hilfreich sein kann. 
Nebst einem guten Rhythmus ist auch die Frage nach dem richti- 
gen Mass ein bestimmendes Thema in der Regel Benedikts. Da finden 
sich etwa Anordnungen über das «Mass der Speise» oder über das «Mass 
des Getränkes». Benedikt erweist sich auch hier als umsichtiger Prakti- 
ker: «War die Arbeit einmal härter, liegt es im Ermessen und in der 
Zuständigkeit des Abtes, etwas mehr zu geben, wenn es guttut.» (RB 
39,6) Benedikt erlaubt den Mönchen auch das Trinken von Wein. «Mit 
Rücksicht auf die Schwachen meinen wir, dass für jeden täglich eine 
Hemina Wein genügt.» (RB 40,3) Bis heute ist allerdings nicht ganz 
geklärt, wie viel «eine Hemina Wein» bedeutet ... 
Das Masshalten in allem ist demnach für Benedikt ein wichtiger 
Grundsatz. Dieses Prinzip des Masshaltens geht in seiner Bedeutung 
weit über blosse Regeln für das Essen und Trinken hinaus. Damit ist 
auch ein gewisser schöpfungstheologischer Optimismus ausgesagt. Die 
ganze Welt und alles in ihr Enthaltene sind Gottes gute Schöpfung. Es 
kommt nur darauf an, die Dinge im richtigen Mass zu gebrauchen. Diese 
schöpfungstheologische Sicht Benedikts könnte gerade heute sehr hilf- 
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