Hausarbeit Staatskunde Verfassungsänderung 2003
den Fakten der Verfassung und seinen Zusammenhängen auseinandergesetzt hätten. Er
erklärte sich somit gerne für das Interview bereit, das ich dann am 7. Februar 2019 in seiner
Anwaltskanzlei in Vaduz mit ihm führte.
Herr Jenal, was halten Sie von der Anschuldigung, die liechtensteinische Verfassung sei
undemokratisch?
Roman Jenal: Unser Staat ist meines Erachtens eindeutig nicht undemokratisch. Wir
haben ein Parlament, das ausschliesslich aus vom Volk gewählten Volksvertretern
besteht, und eine gewählte Regierung, die durch eben diese Volksvertreter gewählt
wird. Auch auf Gemeindeebene werden die Gemeinderäte sowie die Vorsteher
beziehungsweise der Bürgermeister vom Volk gewählt. Zudem haben wir ein sehr
einfach zugängliches Initiativ- und Referendumsrecht. Demokratischer geht es ja wohl
nicht. Aber ja, tatsächlich wird unsere Demokratie aufgrund der verfassungsmässig
gewährten Rechte des Fürsten, unter anderem auch das Sanktionsrecht, teilweise
kritisiert. Was aber falsch interpretiert wird, ist, dass der Fürst angeblich mehr Macht
hat als das Volk. Gemäss der Verfassung ist nämlich die Staatsgewalt «im Fürst und
Volk verankert». Wenn man nun die Verfassung als Ganzes betrachtet, bedeutet dies
nichts anderes, als dass die beiden Souveräne, also der Fürst und das Volk,
gleichberechtigt nebeneinander stehen. Und das ist nicht nur in der Theorie so.
Ausserdem muss man sich darüber bewusst sein, dass die Bevölkerung die Verfassung
ja selbst auf demokratischem Wege angenommen hat. Und wäre Liechtenstein
undemokratisch, so müsste man wohl auch der Meinung sein, dass das Initiativ- und
Referendumsrecht des Volkes keinen Einfluss auf die Politik hat. Dieser Ansicht
würden wohl aber nur wenige zustimmen. Das Fürstenhaus ist in unserem Fall auch
sicherlich kein Störfaktor unserer Demokratie, sondern im Gegenteil: In den
vergangenen Jahrzehnten hat das Fürstenhaus viele visionäre Ideen und Vorschläge
vorgebracht und gemeinsam mit dem Volk beziehungsweise mit den Volksvertretern
sowie der Regierung umgesetzt. Alleine hätte das Fürstenhaus diese visionären Ideen
nicht umsetzen können, da wir eben eine «konstitutionelle Erbmonarchie auf
demokratischer und parlamentarischer Grundlage» sind. Es braucht also Fürst und
Volk zusammen, was aber keineswegs bedeutet, dass Liechtenstein undemokratisch
ist.
Wieso stösst die Kritik an der Staatsform Liechtensteins dann scheinbar auf so eine grosse
Resonanz?
Ich denke keineswegs, dass eine alarmierende Anzahl Bürger gegen unsere
Staatsform ist. Wenn man sich die Abstimmungsergebnisse der
Verfassungsänderungen der letzten Jahre ansieht, lässt sich schnell feststellen, dass
sich der Grossteil der Bevölkerung für eine Monarchie ausspricht. Wenn es aktuell
eine Unzufriedenheit gibt, dann betrifft das meines Erachtens eher den Landtag oder
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