Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Verfassung vom 5. Oktober 1921 
tete fast identisch: «Der Landtag ist befugt, über Aufnahme einzelner 
Grundsätze in ein zu erlassendes Gesetz eine Volksabstimmung ergehen 
zu lassen.» Art. 66 Abs. 3 der liechtensteinischen Verfassung von 1921 
lautet: «Der Landtag ist befugt, über die Aufnahme einzelner Grund- 
sätze in ein zu erlassendes Gesetz eine Volksabstimmung zu veranlas- 
sen.» Weitere Bezüge finden sich in den Bestimmungen, dass nur über 
nicht als dringlich erklärte Gesetze abgestimmt werden kann (Art. 47 
StGV, $ 4 VbgV, Art. 66 Abs. 1 LV). In der Höhe des Unterschriften- 
quorums, bezogen auf die jeweilige Zahl an Stimmberechtigten, lagen 
allerdings sowohl Vorarlberg wie auch Liechtenstein deutlich über dem 
nationalen Quorum der Schweiz, aber auch weit über demjenigen 
St. Gallens.165 
Nach dem Scheitern des Anschlusses Vorarlbergs an die Schweiz!66 
1919/1920 gliederte sich Vorarlberg in den österreichischen Bundesstaat 
  
165 Der Kanton St. Gallen wies 1920 gemäss eidgenössischer Volkszählung eine Wohn- 
bevölkerung von 295 000 auf (Statistik Schweiz, www.admin.ch). Referendum und 
Initiative benötigten nach der St. Galler Verfassung 4000 Unterschriften. Bezogen 
auf die stimmberechtigten Männer (geschätzt 120 000) mussten also rund 3 Prozent 
unterzeichnen. In Liechtenstein betrug das Unterschriftenquorum bei Einführung 
der Verfassung 22 Prozent (Referendum) bzw. 33 Prozent (Initiative). Der Kanton 
Zug, dessen Verfassung vom 31. Januar 1894 ebenfalls als Vorlage infrage kommt, 
verlangte die Unterschrift von 800 Stimmberechtigten für Initiative und Referen- 
dum. Die Bevölkerung betrug 1920 knapp 32 000 Einwohner. Das Quorum belief 
sich somit auf geschätzte 6 Prozent. 
166 Siehe Bilgeri 1987, S. 86ff.; Burmeister 1983, S. 177ff.; Wanner 1983; Ermacora 1990; 
Gmeiner 1991, S. 121ff. Über die Presseberichterstattung in Liechtenstein Geiger 
1990a. Am 11. Mai 1919 fand in Vorarlberg eine Volksabstimmung statt über die 
Frage von Verhandlungen mit der Schweiz und der Bundesregierung über einen Bei- 
tritt Vorarlbergs zur Schweiz, welche mit 47 208 Ja gegen 11 241 Nein (Gmeiner 
1991, S. 126f.) entschieden wurde (Ermacora 1990, S. 124 mit Abdruck aus Vorarl- 
berger Tagblatt vom 14. Mai 1919: 47 727 Ja gegen 11 378 Nein). Die zögerliche oder 
ablehnende Haltung der Schweiz und der Vorarlberger politischen Elite verhinder- 
ten allerdings die Umsetzung des vor allem aus der Notlage nach dem Ersten Welt- 
krieg heraus geborenen Anschlusswunsches. Die Offenheit in der Frage der bundes- 
staatlichen Zugehörigkeit Vorarlbergs zeigt sich auch in den Formulierungen der 
Verfassung von 1919, in welcher zwar von der Zugehörigkeit zu einem Bundesstaat 
ausgegangen wird ($ 1: «Das Land ist selbständig, soweit seine Selbständigkeit nicht 
durch die Verfassung des Bundesstaates beschränkt ist [...]»), ohne aber zu erwih- 
nen, welcher Bundesstaat das sein soll. In der Verfassung von 1923 ist dagegen expli- 
zit vom Bundesstaat Österreich die Rede (Artikel 1 Abs. 1: «Vorarlberg ist ein selb- 
ständiges Bundesland der demokratischen Republik Österreich»). Der Selbstbe- 
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