Volksabstimmungen und öffentliche Kommunikation
den aufgerufen, bei ihrer Informationstätigkeit ausgewogen und sachge-
recht zu agieren.62?
Empirische Daten über die Informiertheit der Bürgerinnen und
Bürger existieren für Liechtenstein nicht, da es im Unterschied zur
Schweiz keine langjáhrigen Individualdaten gibt, wie sie in der Schweiz
im Rahmen der VOX-Untersuchungen erhoben werden.9?^ Der Einzel-
fall der Verfassungsabstimmung von 2003 kann aus verschiedenen, an
anderer Stelle dieser Studie thematisierten Gründen nicht als reprásenta-
uv für Volksabstimmungen und Informiertheit generell gelten. Die aus-
sergewóhnlich gute Datenlage zu dieser speziellen Volksabstimmung mit
Sonderstatus erlaubt einzig für diesen Fall vertiefte Analysen. Die Be-
funde sind dabei allerdings ernüchternd. Tatsáchlich stiftete die Abstim-
mungskommunikation so viel Verwirrung, dass am Ende die eigentli-
chen Abstimmungsvorlagen weit in den Hintergrund rückten und sach-
fremde Themen bzw. Framingstrategien die Kommunikation und den
Entscheid der Stimmberechtigten massgeblich beeinflussten.$25
Im Vergleich zur Schweiz ist auch zu berücksichtigen, dass in
Liechtenstein deutlich weniger Volksabstimmungen durchgeführt wer-
den. Durchschnittlich gelangt etwas mehr als eine Vorlage pro Jahr in
eine Volksabstimmung. Davon ist keine stark prágende Wirkung auf die
generelle Informiertheit zu erwarten, zumal viele Abstimmungen auch
Nebensächlichkeiten betreffen. Weitere Effekte von Volksabstimmun-
gen, wie etwa gesteigertes politisches Interesse, stärkeres politisches En-
gagement usw., können angesichts der geringen Häufigkeit von Volksab-
stimmungen nicht wirklich erwartet werden.
Als theoretisch ähnlich wirksam für die Informiertheit der Bürge-
rinnen und Bürger können das Mass und die Qualität an medialer Ver-
mittlung politischer Sachverhalte gelten, unabhängig von der Existenz
623 In diese Richtung tendieren Entscheidungen des Staatsgerichtshofes (siehe Kapitel
4.12.1.6 über Beschwerden im Zusammenhang mit Volksabstimmungen). Auch in
der Schweiz sind die Behörden zu angemessener Informationstätigkeit angehalten.
Hierzu Grünenfelder 2014, S. 147.
624 Longchamp 2014.
625 Marcnkowski 2004, 2006, 2007; Marcinkowski und Marxer 2010, 2011; Schädler
2005. Allerdings ist es in Abstimmungskampagnen wie generell in der politischen
und auch anderer Werbung üblich, dass Botschaften verdichtet werden und diejeni-
gen Mittel gewählt werden, die den grössten Erfolg versprechen. Siehe hierzu auch
Strittmatter 2014.
489