Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Volksabstimmungen und öffentliche Kommunikation 
er sich auf die Klassifizierung Lijpharts (mehrheitsdemokratische Grup- 
pe, intermediäre Gruppe, konsensdemokratische Gruppe), wobei man 
Liechtenstein der konsensdemokratischen Gruppe zuordnen kann.616 
Die von Kriesi gewählten Operationalisierungen der intermediären Sys- 
teme geben für eine Zuordnung Liechtensteins allerdings teilweise Pro- 
bleme auf. Die Stärke der Parteien wird an deren Mitgliederzahl gemes- 
sen (relativ viele Mitglieder, relativ wenige Mitglieder). Da die beiden 
grossen Volksparteien Liechtensteins keine formelle Mitgliedschaft ken- 
nen, wäre die schwache Mitgliederbasis als Indikator für schwache Par- 
teien aufzufassen. Der grosse Mobilisierungserfolg der Parteien — etwa 
an Parteitagen — legt aber eher nahe, von starken Parteien auszugehen. 
Beim Mediensystem wird die Stärke der Presse — operationalisiert über 
die Auflagenzahlen pro 1000 Einwohner — als Indikator für eine starke, 
unabhängige Presse herangezogen. Auch hier zeigt sich ein Wider- 
spruch, da Liechtenstein mit den beiden Tageszeitungen eine äusserst 
hohe Auflagenzahl aufweist (theoretisch also eine starke Presse), aber 
gleichzeitig von einer Unabhängigkeit der Presse überhaupt nicht die 
Rede sein kann (also faktisch eine schwache Presse). 
Im Schema von Kriesi, in welchem verschiedene Staaten nach den 
beiden Dimensionen des institutionellen Kontextes und der Stärke der 
Intermediäre eingeteilt werden, zeigt sich eine deutliche Korrelation 
zwischen Konsensdemokratien und starkem, unabhängigem intermediä- 
rem System sowie zwischen Mehrheitsdemokratien und schwachem, 
abhängigem intermediärem System (siehe Tabelle 55). Kriesi leitet daraus 
ab, dass die politikzentrierte Strategie in Mehrheitsdemokratien (mit 
der Gróssenordnung von Deutschland und Osterreich, also deutlich weniger ausge- 
prägt als in der Schweiz. In der Forschungsliteratur wird jedoch häufiger von Kon- 
kordanzdemokratie anstatt Konsensdemokratie gesprochen. Siehe etwa Michalsky 
1991; Lehmbruch 1991; diverse Beiträge in Kôppl und Kranenpohl (Hg) 2012. 
Auch Kranenpohl (2012) práferiert diese Bezeichnung als eine der beiden Ausprä- 
gungen einer politisch-kulturellen Dimension — im Gegensatz zu konkurrenzde- 
mokratischen Modellen — und schlägt dabei eine Differenzierung nach zwei weite- 
ren Dimensionen vor: der institutionellen Dimension (Anzahl der Vetospieler) und 
der intermediären Dimension (Zentralität des Systems der Interessenvermittlung) 
(S. 25). Liechtenstein wäre demzufolge nach Meinung des Autors als konkordanz- 
demokratisches System mit relativ vielen Vetospielern und zentralem System der 
Interessenvermittlung einzustufen, vergleichbar dem von Kranenpohl in dieser Ka- 
tegorie zitierten Fall Chile. 
616 Marxer 2007; Michalsky 1991. 
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