1.5
Design der direkten Demokratie
Gerade angesichts der Zunahme von Volksentscheiden weltweit (siehe
Kapitel 1.6) stellt sich die Frage, ob es sich in allen Fällen tatsächlich
um direktdemokratische Verfahren nach der hier vertretenen Definition
handelt. Vieles, was heute unter dem Begriff «Referendum» angeführt
wird, ist eigentlich ein Plebiszit, was bedeutet, dass es alleine im Ermes-
sen zuständiger Behörden (Präsident, Regierung oder Parlament) liegt,
wann, worüber und eventuell mit welcher Verbindlichkeit eine Volksab-
stimmung durchgeführt wird.“ Dies birgt das Risiko des Missbrauchs in
sich, weshalb nicht selten in autoritären Regimes mittels Volksbefragun-
gen Machtpositionen gefestigt werden.® In den etablierten gefestigten
Demokratien kann das Plebiszit dazu eingesetzt werden, innerparteili-
che Konflikte in eine andere Arena zu verlagern, politische Blockaden zu
lösen oder auch strategisch zur Popularisierung der eigenen Politik und
damit der Machtabsicherung beizutragen.“ Es ist zwar denkbar, dass es
irgendwann einen point of no return gibt, dass also etwa in Staaten, in
denen ausserordentlicherweise über europäische Fragen (EU-Beitritt,
62 Dies wird auch aus der Auflistung von «Referenden» im Sammelband von Qvor-
trup (2014) deutlich. Unter Referendum werden Urnenabstimmungen zu Sachfra-
gen unabhängig von deren Ursprung (von oben, von unten, obligatorisch) und ohne
Differenzierung, ob es sich beispielsweise um eine Volksinitiative oder ein Referen-
dum gegen einen Parlamentsbeschluss handelt, angeführt.
63 Walker 2003; Erne 2002, Morel 2001 und zunehmende Literatur über direkte
Demokratie und Plebiszite in Lateinamerika: Breuer 2007; Altman 2011, 2014. Zur
mehrheitlichen Nutzung der direktdemokratischen Instrumente in Asien: Kobori
2014.
64 Gerber (2011) bestätigt in einer Analyse zu Volksabstimmungen im US-amerikani-
schen Bundesstaat Kalifornien, dass zwischen parlamentarischen Entscheidungen
(legislative process) und direktdemokratischen Entscheidungen (direct legislation
process) häufig Differenzen bestehen und Akteure manchmal in der einen, manch-
mal in der anderen Arena erfolgversprechender agieren.
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