Vergleich zwischen der Schweiz und Liechtenstein
In der zweiten Dimension von Systemdifferenzierungen nach Jung,
welche sich weitgehend an das Schema von Lijphart?! anlehnt — Regu-
lierungssystem nach dem Konsens- bzw. dem Majorzprinzip —, sind
hingegen sowohl die Schweiz wie auch Liechtenstein dem Konsens-
system zuzuordnen — Liechtenstein allerdings weniger ausgeprágt als die
Schweiz.
Wenn man nun die Instrumente der direkten Demokratie der bei-
den Staaten nach ihrem Konsens- bzw. Majorzcharakter unterscheidet,
wäre anzunehmen, dass in beiden Ländern die Instrumente konsensori-
entiert sein müssten, um systemkonform zu sein. Zur Typologisierung
der Instrumente als konsensorientierte oder majoritäre kann eine von
Vatter (2002) eingeführte Differenzierung übernommen werden,
wonach ein einfacher Mehrheitsentscheid dem majoritären Modell ent-
spricht, Filtersysteme wie etwa ein erforderliches Ständemehr oder im
Falle Liechtensteins das Erfordernis der Sanktion durch den Landesfürs-
ten dagegen für ein Konsensmodell typisch sind.*? Im Ergebnis zeigt
sich, dass die meisten Instrumente der Systemlogik der politischen Sys-
teme folgen und daher konfliktfrei in die politischen Systeme eingefügt
sind. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Auf Liechtenstein bezogen
sind das vor allem die im Jahr 2003 eingeführten Instrumente zur Ab-
schaffung der Monarchie und zur Wahl von Richtern in einer bestimm-
ten Dissenskonstellation. Diese widersprechen der Systemordnung in
doppelter Hinsicht: einerseits indem sie dem populistischen statt dem
konstitutionellen Prinzip folgen, andererseits indem sie majoritáren statt
konkordanten Charakter aufweisen.*?
Die bisherige Erfahrung zeigt allerdings, dass diese systemfernen
Verfahren als Ausnahmeverfahren zu taxieren sind, was sich daran zeigt,
dass sie bisher noch nie zur Anwendung gelangten. Die meisten Exper-
ten gehen davon aus, dass auch die erst vor wenigen Jahren im Zuge der
430 Jung 2001, S. 64, 67. Anwendung auf Schweiz und Liechtenstein bei Marxer und
Pállinger 2006, 2007, 20093.
431 Lijphart 1984, 1999.
432 Vatter 2002, S. 310f. Siehe auch die Klassifizierung direktdemokratischer Verfahren
bei Milic et al. 2014, S. 42 (in adaptierter Darstellung, Bezug nehmend auf Vatter).
Dort werden die Instrumente der direkten Demokratie nach ihren Mehrheits- und
Machtteilungscharakteristiken angeordnet. Als majoritäres Extrem erscheint das
Plebiszit, als Machtteilungsextrem die Initiative mit qualifizierter Mehrheit.
433 Ausführlich bei Marxer et al. 2006a, 2007.
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