Die direktdemokratischen Instrumente in der Gegenwart
Bejahung dieser Frage in einer Volksabstimmung beschloss der Landtag
eine entsprechende Abänderung des Volksrechtegesetzes.
Bereits vor Einführung der Verfassung von 1921 — und somit noch
vor Bestehen einer Rechtsgrundlage für die direkte Demokratie — wur-
den 1919 und 1921 Abstimmungen mit Konsultativcharakter durchge-
führt. Es ging dabei um die Erhóhung der Zahl der Landtagsabgeordne-
ten, die Senkung des Wahlalters und den Verbleib des provisorischen
Regierungschefs Hofrat Dr. Peer im Amt.?? Alle diese Abstimmungen
waren technisch gesehen Konsultativabstimmungen, da kein formulier-
ter Gesetzestext vorlag und die Entscheidung an der Urne ohnehin für
die Behórden nicht bindend war, da das Verfahren rechtlich gar nicht
vorgesehen war.
Im Falle der Abstimmung über Regierungschef Peer handelte es
sich ausserdem um ein Personalplebiszit, welches in dieser Form spáter
in der Verfassung nicht verankert wurde. Die Verfassung von 1921 er-
laubte die Einberufung und Auflósung des Landtages?? mittels Volks-
entscheid, nicht aber die Abwahl der Regierung oder eines Regierungs-
mitgliedes. Erst mit der Verfassungsrevision von 2003 wurden zusitzli-
che Personalplebiszite eingeführt, einmal als allfälliger Sonderfall bei der
Richterbestellung, ferner mit dem für das Fürstenhaus unverbindlichen
Misstrauensvotum gegen den Fürsten, nicht jedoch in Bezug auf die
Regierung (Kapitel 3.8 und Kapitel 3.10).
Seit 1921 entsprach neben der erwáhnten Abstimmung von 1932
nur noch die Befragung betreffend Einführung des Frauenstimmrechts
das ganze Land umfasst, gewählt werden und zwar mit der Massgabe, dass das Un-
terland einen Abgeordneten und das Oberland vier Abgeordnete erhält?» (nach
Liechtensteiner Nachrichten vom 11.2.1932). Die Verfassung von 1921 hielt in Art. 46
Abs. 3 fest, dass jeder Gemeinde mit wenigstens 300 Einwohnern (also allen ausser
Planken) ein Mandat zustehe, wobei nach Abs. 4 das Nähere über die Durchfüh-
rung von Wahlen in einem besonderen Gesetz zu regeln sei. Art. 16 des Volksrech-
tegesetzes vom 31. August 1922 regelte dies so, dass in einem ersten Wahlgang das
absolute Mehr an Stimmen für die Wahl in den beiden Wahlkreisen Oberland bzw.
Unterland erforderlich war. Um das Gemeindequorum zu erfüllen, konnten auch
Kandidaten ein Mandat erringen, die weniger Stimmen auf sich vereinigten als
Gegenkandidaten. Falls die Mandate mit absolutem Mehr im ersten Wahlgang nicht
bereits vergeben waren, musste ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden.
329 Quaderer 1996b, S. 97; Quaderer-Vogt 2014, Bd. 2, S. 172-220, 281-287, 586.
330 Nach Quaderer-Vogt (2014, Bd. 2, S. 293) wurde Abs. 3 von Art. 48 LV in der Land-
tagsdebatte aufgrund eines Antrages von Wilhelm Beck eingeführt.
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