Die direktdemokratischen Instrumente in der Gegenwart
Erneut ergab sich eine Diskussion über ein Verwaltungsreferendum im
Zusammenhang mit einer Initiative über eine obligatorische Volksab-
stimmung bei Hochleistungsstrassen 1972. (Der Fall wird ausführlicher
geschildert in Kapitel 4.1.3.)
1972: Initiative betreffend Obligatorische Volksabstimmung über Hochleistungs-
strassen
Die Initiative wurde am 30. Januar 1972 als formulierte Initiative bei der Regierung
angemeldet, am 5. Februar kundgemacht. Am 17. März 1972 wurden 1152 gültige
Unterschriften fristgerecht eingereicht.
Im Bericht an den Landtag vom 28. März 1972 äusserte die Regierung Bedenken
hinsichtlich der Verfassungsmässigkeit. «Nach Meinung der Regierung könne
gemäss Verfassung zur Volksabstimmung nur unterbreitet werden, wenn es sich um
Normsetzung oder Akte des Landtages handle. Ein von der Regierung genehmigtes
generelles Projekt (oder Plan) stelle jedoch eine Verwaltungstätigkeit und nicht eine
Tätigkeit der gesetzgebenden Behörde dar und könne deshalb nicht der Volksab-
stimmung unterbreitet werden.» Der Staatsgerichtshof kam in einem Gutachten
vom 25. Juli 1972 (Sitzung am 6. Juli), welches er im Auftrag des Landtages erstellte,
zum gleichen Ergebnis. «Wenn der zweite Absatz von Art. 6 der eingebrachten Ini-
tiative verlangt, dass der von der Regierung beschlossene Verwaltungsakt der Volks-
abstimmung zu unterbreiten ist, so schafft die Initiative damit ein Verwaltungsrefe-
rendum, das in der Verfassung keine Stütze findet. Das rechtsstaatlich-demokrati-
sche Prinzip würde damit durchbrochen.» Die erfolgreich eingereichte Initiative
gelangte nicht zur Abstimmung.
1996 griff die Freie Liste die Idee des Verwaltungsreferendums in ihrem
Entwurf für eine neue Verfassung auf (ausführlicher in Kapitel 2.2.4.1
über den Verfassungsentwurf der Freien Liste). Dieser Entwurf wurde
aber nie mit Nachdruck weiterverfolgt, sondern gab eher einen Gedan-
kenanstoss mit Blick auf die sich anbahnende Auseinandersetzung über
die Revision der Verfassung, die schliesslich 2003 in einer Volksabstim-
mung beschlossen wurde. Der Entwurf der Freien Liste spielte dabei
keine Rolle.
3.1.4.3 Materielle Kriterien der Zulässigkeit eines Initiativbegehrens
In erster Linie sind Initiativbegehren dahingehend zu prüfen, ob sie mit
der Verfassung und bestehenden Staatsverträgen übereinstimmen. Mit
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