Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Formulierte Initiative 
schliesslich der Abänderung einer Verordnung (was ja eigentlich dem 
Initiativrecht entzogen ist) liess der StGH zu, weil es nach seiner Beur- 
teilung in einem Satz zusammenzufassen war: «Das Gesetz vom 22. Ja- 
nuar 1936 betreffend die Errichtung einer Gewerbegenossenschaft wird 
aufgehoben und es wird der frühere Gesetzesstand wieder hergestellt.»22$ 
Der innere Zusammenhang gestattet somit die Überschreitung formaler 
Grenzen. Ob damit auch ein «innerer Zusammenhang» im Sinne der 
Einheit der Materie erforderlich ist, wenn es sich um eine formal auf ein 
einziges Gesetz oder die Verfassung beschränkte Vorlage handelt, muss 
dahingestellt bleiben. Die Bemerkung des StGH zum «wirklichen Willen 
der Stimmberechügten» kónnte in diese Richtung weisen. 
Tendenziell in die gleiche Richtung argumentierte ein StGH-Gut- 
achten von 1986.22 Der StGH hatte darüber zu befinden, ob verschie- 
dene Abstimmungssysteme, wie beispielsweise das doppelte oder mehr- 
fache Ja, verfassungskonform seien (siehe Kapitel 4.5.3). Die Frage der 
Einheit der Materie wurde nur gestreift. Es ist aber dennoch bemerkens- 
wert, dass der StGH Art. 69 Abs. 5 und 6 VRG unter dem Begriff der 
«Einheit der Materie» anführte,? obwohl es sich wörtlich genommen 
um Kriterien der Einheit der Form handelte. Da keine weiteren Ausfüh- 
rungen erfolgen, bleibt ungeklärt, ob der StGH tatsächlich eine «Einheit 
der Materie» in diesem Artikel vermutete. Das ist insofern nicht auszu- 
schliessen, als sich der SEGH im gleichen Gutachten etwas ausführlicher 
über die demokratischen Grundprinzipien der Verfassung äusserte und 
dabei bemerkte: «Die Verfassung will daher freie, unverfälschte, wirk- 
same, unmanipulierte und genügend differenzierte Abstimmungen, in 
denen der freie Wille des Volkes Ausdruck finden soll.»2! Unter «genü- 
gend differenzierter» Abstimmung kann man auch das Gebot der Ein- 
heit der Materie verstehen. 
Die VBI folgte in ihrer Argumentation im Jahr 2002 dagegen weit- 
gehend Batliner (1993). Es werde in Liechtenstein nicht zwischen Total- 
und Partialrevision der Verfassung unterschieden, und es seien somit — 
im Gegensatz zur Schweiz — auch keine unterschiedlichen Verfahren 
228  StGH 1964/3, Gutachten vom 22. Oktober 1964, in: ELG 1962-1966, S. 224. 
229  S:GH 1986/10 vom 6. Màrz 1987, in: LES 1987. 
230 SGH 1986/10 vom 6. Máàrz 1987, in: LES 1987, S. 153. 
231 StGH 1986/10 vom 6. Mirz 1987, in: LES 1987, S. 152. 
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