Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Entwicklung direktdemokratischer Instrumente nach 1921 
den Vorsitzenden der Verwaltungsbeschwerdeinstanz (heute: Verwal- 
tungsgerichtshof) wegen einer in einem wissenschaftlichen Vortrag ge- 
äusserten Rechtsmeinung nicht mehr in ein ôffentliches Amt zu ernen- 
nen.!82 Zu den tatsächlichen Sanktionsverweigerungen hinzu kommen 
Fälle, in denen eine Sanktionsverweigerung zu erwarten war, sodass die 
diesbezügliche Gesetzgebungstätigkeit ins Stocken geriet.!® In der Be- 
wertung der Verfassungsänderungen aus der Perspektive der Demokra- 
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gesetz (Landtagsbeschluss vom 18. Dezember 1998) monierte der Fürst, dass der 
formulierte Bildungsauftrag («Übereinstimmung der Bildungsinhalte mit allgemei- 
nen christlichen Grundsätzen») der Religionsfreiheit widerspreche. Diese Formu- 
lierung wurde daher in einer neuerlichen Landtagslesung abgeändert («Überein- 
stimmung der Bildungsinhalte mit allgemeinen Grundsätzen der Ethik wie Tole- 
ranz, Nächstenliebe und Respekt vor dem Leben.»). Beim Staatsgerichtshofgesetz 
hatte der Fürst grundsátzlichere Bedenken, da er eigene Vorstellungen zur Neuord- 
nung des Bestellverfahrens der Richter und zur Neuordnung der Kompetenzen des 
Staatsgerichtshofes hatte, welche schliesslich in der Verfassungsrevision von 2003 
realisiert wurden, sodass erst danach der Weg für ein neues Staatsgerichtshofgesetz 
frei wurde. Dazu auch Winkler 2001, S. 92; 2002, S. 21£,, welcher vor allem ver- 
fassungsrechtliche Bedenken als Grund für die Sanktionsverweigerung angibt 
(Erweiterung der Zustándigkeit des Staatsgerichtshofes ohne verfassungsgesetzliche 
Grundlage bezüglich allgemein verbindlicher Verfassungsauslegung und Prüfung 
von Staatsvertrágen). Das Sanktionsverweigerungsrecht war früher nur sehr zu- 
rückhaltend angewendet worden. Vor der Regierungszeit von Fürst Hans-Adam II. 
ist es im Nachgang zu einer Volksabstimmung nur zu einer Sanktionsverweigerung 
bei der Abstimmung über die Volksinitiative für ein neues Jagdgesetz im Dezember 
1961 gekommen (Waschkuhn 1994, S. 120; Winkler 2001, S. 92; 2002, S. 21). Zur 
Sanktionsverweigerung betreffend Jagdgesetz siehe auch Kap. 6.3.7.1. 
Unter anderem bei Marxer 20043, S. 115. Herbert Wille hielt im Februar 1995 einen 
wissenschaftlichen Vortrag, in welchem er dem Staatsgerichtshof die Kompetenz 
zusprach, im Falle eines Konfliktes zwischen Fürst (Regierung) und Volk (Landtag) 
als Schiedsgericht zu fungieren. Fürst Hans-Adam II. teilte ihm daraufhin schrift- 
lich mit, dass er ihn wegen dieser Verfassungsinterpretation nicht mehr in ein öffent- 
liches Amt ernennen werde, was bei der Wiederwahl zum Vorsitzenden der Verwal- 
tungsbeschwerdeinstanz im April 1997 durch den Landtag auch tatsächlich eintrat. 
Die Klage wegen Verletzung der Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit beim 
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war zwar erfolgreich, änderte aber 
nichts an der Nichternennung. Mit der Verfassungsabstimmung von 2003 und der 
nachfolgenden Änderung des Staatsgerichtshofgesetzes wurde die Frage der Kom- 
petenz des Staatsgerichtshofes im Sinne des Landesfürsten entschieden. 
Dieses Schicksal betraf beispielsweise das Beamtengesetz (siehe Ritter 1992) oder 
das Staatsgerichtshofgesetz nach der Sanktionsverweigerung 1994, welche eine Wei- 
terbehandlung verhinderte. In diese Reihe ist auch die langwierige Diskussion über 
die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches zu stellen, in welcher sich 
das Fürstenhaus klar dagegen positioniert hat. 
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