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der Armengesetzgebung ein. Beide waren Mitglieder der Armenpflegerkonferenz und
unter der Leitung von Keller wurde ein Konkordat zum Wohnortsprinzip ausgearbeitet. Der
Prozess zur Annahme des Entwurfs dauerte sehr lange. Zum ersten Mal wurde er 1912
verworfen und erst 1920 im Zuge der ‚Oltener Vereinbarung‘ und als Reaktion auf den 1.
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Weltkrieg vom Bundesrat als Gesetz in Kraft gesetzt. " Im Jahr 1937 erfolgte eine Revision
mit strikteren Richtlinien. Erst 1956 wurden die Regelungen wieder gebessert und 1975
wurde das Heimatortprinzip zu Gunsten des Wohnortprinzips nach einer Volksabstimmung
landesweit abgeschafft.
HUNZIKER verdeutlicht, dass in Liechtenstein andere Verháltnisse herrschen, als bspw. im
155 Durch die Kleinheit konnten die Gemeinden die meisten
benachbarten Kanton St. Gallen.
fürsorgernschen Angelegenheiten tátigen und die zentrale Fürsorgestelle als Anlaufstelle
genutzt werden, wenn die Gemeinden nicht weiterkamen:
Ihre Souveränitätsrechte [der Gemeinden] bleiben trotzdem gewahrt. Mit diesen
Bestimmungen werden die meisten Gemeinden darum herumkommen, eine eigene
Fürsorgebehórde aufzubauen und dort, wo sie die Fürsorge nur teilweise der staatlichen
Institution zur Durchführung übertragen, den Rest durch den engeren Gemeinderat besorgen
lassen.
Die Begriffe ,Fürsorgekommission" und ,Fürsorger‘ gehôrten zur Gemeindeebene,
,Fürsorgerat“ und ,Fürsorgeamt“ bildeten die staatlichen Organe. 187
Die grundsätzliche Organisation der Fürsorge stützt sich nach dem Modell von HUNZIKER auf
das Subsidiaritätsprinzip, welches in Artikel 10 des SHG geregelt ist: „Die Fürsorgeorgane
haben die privaten Fürsorgeträger zu berücksichtigen. Eigene fürsorgerische Tätigkeit tritt nur
ein, wenn die Tätigkeit der privaten Träger keinen Erfolg gezeitigt hat oder erwarten lässt.“ '®®
Die Klienten können also selbst bestimmen, ob sie nun bei der privaten oder staatlichen
Fürsorge als erstes Hilfe einholen. Die sozialen Einrichtungen handeln eigenständig und der
Staat greift nur bei Bedarf ein. Der Staat sorgt primär dafür, dass die Sozialhilfe im Sinne der
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Subsidiaritát funktioniert. " Der Begriff der Subsidiaritát stammt aus der chrstlichen
Soziallehre und wurde in der Sozialenzyklika von Papst Pius' XI. ,Quadragesimo anno" von
2 Ebd. S. 241.
355 Vgl ebd, S. 241-242.
1** Vel ebd, S. 246-247.
7? vgl LLA RF 296/72/3/1, Motivbericht, 24.10.1965, S. 1, der Bericht ist auch an der Begründung angehängt
ab S. 6.
18 Ebd. S. 1.
137 Ebd, S. 2.
155 Art. 10 SHG.
1? Vgl. Die Brockhaus Enzyklopádie Online: Subsidiaritátsprinzip (katholische Soziallehre) [online].
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