Volltext: Die Entwicklung der Jugendfürsorge in Liechtenstein von 1930-1970 mit besonderer Berücksichtigung der Sozialhilfe und der behördlichen Versorgung

Zürich, betrachtete dies als „Recht des Kindes auf die Fürsorge der Eltern“ V? Das Kind hatte 
ein Recht auf Erziehung und deren Unterlassung konnte bestraft werden. Die Ursache für 
Pflichtwidrigkeit, wie auch für die anderen Begriffe, lag bei der Armut, da diese die richtige 
Erziehung durch Mangel erschwerte.'** Zum Begriff der ,, Verwahrlosung“ äusserten sich J.F. 
Landsberg und Heinrich Reicher, die in Deutschland die Kinder- und Jugendfürsorge 
mitprägten. Die Verwahrlosung sei laut Landsberg das Gegenteil der gutbürgerlichen 
Tüchtigkeit, deren Unterlassung den Eltern anzuschulden sei, wobei die Ursache dafür nicht 
bei der Erziehung selbst läge, sondern in , Vererbungserscheinungen“ und Armut."? Bei 
Reicher sei die Verwahrlosung durch fehlende Aufsicht des Kindes verursacht. Die „dauernde 
Gefährdung“ wurde als „Vorstufe der ‚Verwahrlosung‘“ festgelegt, wobei das Kind nicht 
einmal auffällig sein musste. Dies legte jedoch den Grundstein zur Prävention in 
Erziehungsangelegenheiten, da sich die Vormundschaftsbehörde aufgrund der möglichen 
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Gefährdung vorwegnahm, jedes Kind und sein Umfeld genau zu prüfen. " Den Entzug der 
elterlichen Gewalt regelte Art. 285 ZGB. Im Vergleich zum deutschen Bundesgesetzbuch 
hatte die Schweiz mit dem nicht so genau definierten Verwahrlosungsbegnff die Móglichkeit, 
Massnahmen gegen Eltern zu ergreifen. ,,Die , Verwahrlosung' war zur Vorstufe von noch 
Schlimmerem, zum Beispiel der Jugendkriminalitát, geworden. "^ 
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Im liechtensteinischen Gesetz wird in Art. 10 ^ ,, Verwahrlosung* àhnlich dem Begriff im 
ZGB angewendet und in Art. 17 kann der Richter, ,wenn es zur Beseitigung oder Verhütung 
geistiger, sittlicher oder seelischer Verwahrlosung notwendig ist“'*°, die Fürsorgeerziehung 
anordnen. Im Sinne des Gesetzes war der Jugendrat dafür zustándig, Antráge im Falle der 
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,Vernachlássigung der Erziehungspflicht" "' zu stellen. Interessant dazu ist die Aussage des 
Abg. Dr. Martin Risch im Landtag in Bezug auf Art. 17 Abs. 2, da er an der Móglichkeit zur 
Beurteilung von ,, Verwahrlosung* durch den Amtsarzt zweifelte: 
.Zur Feststellung der Verwahrlosung soll in der Regel ein amtsárztliches Gutachten eingeholt 
werden. Der Begriff , Verwahrlosung' beinhaltet eine moralische, eine seelische und ein 
  
“9 Ebd. S. 38. Hans Grob verfasste seine Dissertation zu diesem Artikel. 
!! Vg] ebd, 
1? Vg]. ebd. S. 38-39. 
15 Vgl. ebd, S. 39. 
1! Ebd. S. 40. 
5 Art. 10 JWG: In Fällen grober Vernachlässigung der Erziehungspflicht, Missbrauch der elterlichen Gewalt 
oder sonstiger Verwahrlosung oder ernster Gefährdung eines Kindes oder eines Jugendlichen stellt der Jugendrat 
beim Landgericht Antrag auf Erlass geeigneter Massnahmen. 
V Vgl Art. 17 JWG. 
M LLA RF 317/54, Postulat betr. Schutz der Jugend und Revision Jugendwohlfahrtsgesetz, 1976. 
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