4.4 Der Begriff ,, Verwahrlosung* im Schweizerischen Zivilgesetzbuch
Im JWG taucht ófters der Begriff der ,, Verwahrlosung" auf. Dieser Abschnitt wird kurz auf
die Arbeit zur schweizerischen Jugendfürsorge von RAMSAUER'" eingehen. Ihre
Untersuchungen zum Schweizerischen ZGB sowie zur Sozialfürsorge im Kanton Zürich
bieten eine gute Grundlage und interessante Erkenntnisse zu den neu eingeführten Begriffen,
die zum Teil auch in der liechtensteinischen Gesetzgebung vorkommen. RAMSAUER
beschreibt die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ZGB als Errungenschaft
für die Schweiz. Der II. Teil des ZGB über das Familienrecht erhielt erhebliche Neuerungen
und es wurden wichtige Begriffe geprägt: Die „‚elterliche Gewalt’, ‚dauernde Gefährdung’
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oder ,Verwahrlosung’ waren ebenso neu wie die Familienkonzeption insgesamt und die
Tatsache, dass die Behôrde aus weit geringfügigeren Anlässen als früher die elterlichen
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Rechte beschneiden konnte. Der im ZGB verankerte Kinderschutz war Ausdruck einer
sich um 1900 herausbildenden Bewegung aus bürgerlichen Kreisen zum Kinder- und
Jugendschutz. P^
Die Entstehung der Sozialversicherungen Ende des 19. Jh. bildet den Anfang
staatlichen Eingreifens ins Zivilleben." Im ZGB wurden ab dem Art. 28575 im
Familienrecht die Kinderschutzbestimmungen verankert. ,,In der Schweiz wurde das ZGB als
der Kinder- und Jugendfürsorge förderliche ^ Voraussetzung, ja als eigentliches
«137 worum andere Staaten die Schweiz beneidet hátten. "?
Kinderfürsorgegesetz gewertet, ...
Für RAMSAUER sind vor allem die Interpretationen schweizerischer Juristen zu den
Schlüsselbegriffen interessant. Der Begriff , Pflichtwidrigkeit” wurde im 1. Artikel zu den
Kinderschutzbestimmungen, Art. 283, genannt, in dem es darum ging, dass bei
pflichtwidrigem Verhalten der Eltern behordliche Massnahmen zum Schutz des Kindes
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ergriffen werden konnten. " Der Jurist Hans Grob, spiterer Leiter der Amtsvormundschaft
7? Ramsauer, Nadja: ,, Verwahrlost ". Kindswegnahmen und die Entstehung der Jugendfürsorge im
schweizerischen Sozialstaat 1900-1945, Zürich 2000.
17 Ebd. S. 21.
P! Vg]. ebd.
3? Vgl. ebd, S. 22.
B6 Art. 285 ZGB (1914): Sind die Eltern nicht imstande, die elterliche Gewalt auszuüben, oder fallen sie selbst
unter Vormundschaft, oder haben sie sich eines schweren Missbrauches der Gewalt oder einer groben
Vernachlässigung ihrer Pflichten schuldig gemacht, so soll ihnen die zuständige Behôrde die elterliche Gewalt
entziehen. Wird beiden Eltern die Gewalt entzogen, so erhalten die Kinder einen Vormund. Die Entziehung ist
auch gegenüber Kindern, die spáter geboren werden, wirksam. In: Egger, August: Kommentar zum
Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Das Familienrecht des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Bd. 2, Zürich 1914,
S. 379.
77 Ramsauer, Verwahrlost, S. 37.
P3 Vg] ebd,
3? Ebg,
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