Volltext: Die Entwicklung der Jugendfürsorge in Liechtenstein von 1930-1970 mit besonderer Berücksichtigung der Sozialhilfe und der behördlichen Versorgung

Angelegenheiten die Jugendlichen vertraten."^ Diese Jugendschutzkommissionen wurden 
aufgrund der reformatorischen Tátigkeit des Prásidenten der Gemeinnützigen Gesellschaft St. 
Gallen, Jakob Kuhn-Kelly, im Bereich der Jugendfürsorge Anfang des 20. Jahrhunderts 
geprágt. Kuhn-Kelly wollte weg von der Strafjustiz bei Jugendlichen und hin zu einer 
Untersuchung von sozial geschulten Kommissionsmitgliedern, die mit dem Jugendgericht 
zusammenarbeiten. Die Jugendschutzkommissionen waren vormundschaftliche Instanzen, die 
keine strafrechtlichen Massnahmen ergriffen, aber ein amtliches Verfügungsrecht innehatten. 
Zudem wurde der Miteinbezug der medizinischen und psychiatrischen Einrichtungen immer 
wichtiger." In Bezug auf die straffálligen, verwahrlosten Jugendlichen vermutete Kuhn- 
Kelly, dass dies biologisch bedingt sei und mit Hilfe der Jugendfürsorge, mit Erziehern, 
Psychiatern und Richtern eine bessere Lósung prásentiert werden kónne, als durch rein 
strafrechtliche Massnahmen. Eugenische "Vorstellungen im Zusammenhang mit der 
Einordnung der Jugendlichen nach solchen mit „guten“ und „schlechten“ Erbgut war nach 
HAUSS in den 1930/40er Jahren gángige Praxis." Wie oben beschrieben, sticht dies auch 
beim Entwurf von Lenzlinger heraus. Laut HAUSS richtete man im konservativ-freisinnigen 
St. Gallen kein eigenes Jugendamt ein, da dort weniger reformerische Kráfte in Bezug auf die 
Jugendfürsorge tätig waren, als in anderen, vor allem sozialdemokratisch geprägten 
Kantonen '””. Interessant ist, dass sogar im Kommentar von 1948 zum ZGB auf eine mögliche 
„Gefahr der Zersplitterung der Jugendfürsorge in der Schweiz" hingewiesen wurde: 
„Während in städtischen Verháltnissen eine Zentralisierung nach dem Vorbild deutscher 
Jugendämter gelungen sei, sei in ländlichen Gebieten die Verteilung der Kompetenzen 
" . . 131 
erschwerend für eine Zusammenarbeit." 
Im Vergleich dazu war also die zentralisierte 
Organisation des Fürsorge- und Jugendamtes in Liechtenstein vorbildlich sowie die 
Kommunikation der Fürsorgekommission, trotz ländlicher Struktur und geographischer Náhe 
zum Kanton St. Gallen und vor allem trotz Gesetzesentwurf eines Juristen aus St. Gallen. 
Diese Struktur machte aber auch Sinn, da bei der Kleinheit des Landes eine verteilte 
Organisation keinen Sinn ergeben hätte. 
  
75 Vgl. Hauss, Eingriffe ins Leben. Fürsorge und Eugenik in zwei Schweizer Städten (1920-1950), Zürich 2012, 
S.32f. 
7" Vgl. Hauss, Gisela: Jugendschutzkommissionen zwischen Stadtverwaltung, Kinderschutz und Strafrecht. Yn: 
Hauss/Ziegler (Hrsg.): Helfen, Erziehen, Verwalten. Beitráge zur Geschichte der Sozialen Arbeit in St. Gallen, 
Zürich 2010, S. 129 u. 131. 
U* Vg] ebd, S. 132-133. 
7? Wie bspw. Zürich oder Basel. 
7? Hauss, Eingriffe ins Leben, S. 35. 
BI Ebd. 
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