Angelegenheiten die Jugendlichen vertraten."^ Diese Jugendschutzkommissionen wurden
aufgrund der reformatorischen Tátigkeit des Prásidenten der Gemeinnützigen Gesellschaft St.
Gallen, Jakob Kuhn-Kelly, im Bereich der Jugendfürsorge Anfang des 20. Jahrhunderts
geprágt. Kuhn-Kelly wollte weg von der Strafjustiz bei Jugendlichen und hin zu einer
Untersuchung von sozial geschulten Kommissionsmitgliedern, die mit dem Jugendgericht
zusammenarbeiten. Die Jugendschutzkommissionen waren vormundschaftliche Instanzen, die
keine strafrechtlichen Massnahmen ergriffen, aber ein amtliches Verfügungsrecht innehatten.
Zudem wurde der Miteinbezug der medizinischen und psychiatrischen Einrichtungen immer
wichtiger." In Bezug auf die straffálligen, verwahrlosten Jugendlichen vermutete Kuhn-
Kelly, dass dies biologisch bedingt sei und mit Hilfe der Jugendfürsorge, mit Erziehern,
Psychiatern und Richtern eine bessere Lósung prásentiert werden kónne, als durch rein
strafrechtliche Massnahmen. Eugenische "Vorstellungen im Zusammenhang mit der
Einordnung der Jugendlichen nach solchen mit „guten“ und „schlechten“ Erbgut war nach
HAUSS in den 1930/40er Jahren gángige Praxis." Wie oben beschrieben, sticht dies auch
beim Entwurf von Lenzlinger heraus. Laut HAUSS richtete man im konservativ-freisinnigen
St. Gallen kein eigenes Jugendamt ein, da dort weniger reformerische Kráfte in Bezug auf die
Jugendfürsorge tätig waren, als in anderen, vor allem sozialdemokratisch geprägten
Kantonen '””. Interessant ist, dass sogar im Kommentar von 1948 zum ZGB auf eine mögliche
„Gefahr der Zersplitterung der Jugendfürsorge in der Schweiz" hingewiesen wurde:
„Während in städtischen Verháltnissen eine Zentralisierung nach dem Vorbild deutscher
Jugendämter gelungen sei, sei in ländlichen Gebieten die Verteilung der Kompetenzen
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erschwerend für eine Zusammenarbeit."
Im Vergleich dazu war also die zentralisierte
Organisation des Fürsorge- und Jugendamtes in Liechtenstein vorbildlich sowie die
Kommunikation der Fürsorgekommission, trotz ländlicher Struktur und geographischer Náhe
zum Kanton St. Gallen und vor allem trotz Gesetzesentwurf eines Juristen aus St. Gallen.
Diese Struktur machte aber auch Sinn, da bei der Kleinheit des Landes eine verteilte
Organisation keinen Sinn ergeben hätte.
75 Vgl. Hauss, Eingriffe ins Leben. Fürsorge und Eugenik in zwei Schweizer Städten (1920-1950), Zürich 2012,
S.32f.
7" Vgl. Hauss, Gisela: Jugendschutzkommissionen zwischen Stadtverwaltung, Kinderschutz und Strafrecht. Yn:
Hauss/Ziegler (Hrsg.): Helfen, Erziehen, Verwalten. Beitráge zur Geschichte der Sozialen Arbeit in St. Gallen,
Zürich 2010, S. 129 u. 131.
U* Vg] ebd, S. 132-133.
7? Wie bspw. Zürich oder Basel.
7? Hauss, Eingriffe ins Leben, S. 35.
BI Ebd.
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