6. Die Rechtsanwaltsgesetze
Die Debatten über die Rechtsanwaltsgesetze machten einen kleinen Teil der
liechtensteinischen Gesetzgebung aus. Sie regelten unter anderem den Zugang zum
Beruf des Treuhänders und waren somit auch Teil des Gesellschaftswesens. Ein zentrales
Anliegen war das Risiko vor „schwarzen Schafen“ und Skandalen zu verringern, indem
man weitere Kriterien zur Ausübung der Geschäftstätigkeit vorschrieb.
Gemäss Christoph Maria Merki kam es im Zuge einer Professionalisierung des
Gesellschaftsgeschäfts in Liechtenstein zu einer Spezialisierung der Treuhänder und
Anwälte. Zu Beginn war der Treuhänder
Fig. 3: Anzahl Seiten Protokoll
ein ‚Selflmademan‘ ohne Abschluss, der sein
Wissen In der Praxis erworben hatte. Man
bezeichnete ihn als Rechtsagenten. Mit einer 30
einfachen Konzession von der Regierung
durften sie ihre Klienten auch vor Gericht 20
vertreten. Die Standards erhöhte man 1968. 1
Der Zugang wurden geregelt und die
0 ——
Ausbildungsvoraussetzungen 1953 1967 1968 1978 1979
vorgeschrieben. '!9 In dieser Zeit entstanden
©
auch die Treuhandvereinigungen und die Anwaltskammer. Alteingesessene mussten sich
den neuen Kriterien nicht stellen. Der Anwaltsberuf, für einheimische Juristen vorher frei,
wurde durch Praktika und Prüfungen geregelt. Merki nennt drei Ursachen für die
Professionalisierung: 1. standespolitische Abschottung gegenüber konkurrierenden
Neulingen 2. zunehmende berufliche Ansprüche hinsichtlich Recht und Finanztechnik 3.
ausländischer Druck und die Forderung nach staatlicher Aufsicht und Ordnung. 111
In den Jahren 1950 bis 1980 wurden acht öffentliche Sitzungen im Parlament zu dieser
Gesetzesklasse gemacht (siehe Fig. 3). Eine konkrete Umsetzung fand erstmals 1967
statt.
110 Merki: Wirtschaftswunder Liechtenstein, S. 160.
11 Ebd., S. 161.
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