Die zweite und dritte Lesung
Die zweite und dritte Lesung begann ruhig. Die erste Abstimmung über den Einleitungstext
war einstimmig und signalisierte allgemeine Zustimmung des Parlaments und Einigkeit der
Parteien. Danach Unter Artikel 34 wies Cyrill Büchel auf seinen Abänderungsantrag hin.
Der Regierungschef ging lange darauf ein in einer sehr komplexen Darstellung, lehnte
aber den Antrag ab. Büchel wiederholte, dass Frauen von selbständig und unselbständig
Erwerbenden unterschiedlich besteuert werden. Kieber verwies auf den systemischen
Unterschied beider Kategorien. Die Teilnahme am Disput war beschränkt - selbst Büchel
fragte ins Parlament: „Es sind ja noch 14 andere Abgeordnete hier. Vielleicht kann einer
mit mir einig gehen, dass die Frau des selbständig Erwerbenden und des unselbständig
Erwerbenden gleich besteuert wird.“366 Dem Regierungsartikel stimmten 12 Abgeordnete
zu, es mussten immerhin drei Parlamentarier, wenn auch schweigsame, auf Seiten
Büchels gewesen sein.
Aber die Regierung nahm auch unter Artikel 47 eine Anregung von Cyrill Büchel an. Man
ermöglichte Selbständigerwerbenden Abzüge aus den Beiträgen der
Familienausgleichskasse zu machen. Der Regierungschef meinte, es habe sich dabei um
eine Gesetzeslücke gehandelt, die seit 1961 bestanden hatte. Die Regierung nahm damit
einen Vorschlag der Opposition in die eigene Vorlage. Das war unerwartet. Die
Abstimmung verlief einhellig.
Der letzte grosse Punkt der Diskussion war die Eingabe von Johann Beck unter Artikel 55.
Auch hier äusserte sich Regierungschef Kieber ausführlich. Er nannte zu Beginn wieder
die Teuerungsanpassung als Zielsetzung der Vorlage. Danach gab er einen Rückblick der
letzten Steueranpassungen mit Blick auf das Verhältnis zwischen der Progression und den
Abzügen. Parallel nannte er die unterschiedliche Kompensation der zusätzlichen
Ausgaben. Aus der Rückschau heraus argumentierte er für eine Steuerbelastung, welche
die wirtschaftliche Leistung des Einzelnen berücksichtige im Gegensatz zu einer linearen
Anpassung der Progression. Abzüge ermöglichten persönliche Umstände zu
berücksichtigen, sagte er dazu. Bei einer Anhebung der Progression profitieren die
höheren Einkommen mehr. Analog müssten die juristischen Personen ebenso mehr
belastet werden, was in der derzeitigen Wirtschaftssituation schlecht sei. Seine
Argumentation gegen Becks Vorschlag war umfangreich und komplex.
Eine weitere Diskussion fand nicht statt. Johann Beck wies die Argumentation des
Regierungschef ab; er wäre auch mit einer geringeren Verschiebung als die 20 Prozent
%6 Ltp vom 20/21.12.76, S. 785.
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