sich das Bezugssystem des steuerzahlenden Bürgers vollkommen verändert oder
geradezu missachtet wird. “309
Die Stellungnahme von Herbert Kindle begann zwar zurückhaltend - er sei hier weniger
zuständig und möchte nicht beurteilen - endete jedoch erst nach längeren Ausführungen.
Er äusserte sich positiv und etwas ungenau zur Erhöhung: „Ich habe allerdings kürzlich
von zwei prominenten Vertretern des Gesellschaftswesens dazu über die Möglichkeiten,
die hier drin seien, doch einen Kommentar von erstaunlicher Grosszügigkeit zur Kenntnis
nehmen müssen. Das sei hier erwähnt zur Abrundung des Bildes.“*319 Er schnitt danach
das Problem des Finanzausgleichs an und meinte, die Auswirkungen darauf seien
ungewiss. Die Meinung von Georg Malin teilte er und zeigte sich ebenso besorgt über die
wachsende Abhängigkeit von fremder Leistung. Er schlug vor, die Mehreinnahmen zu
neutralisieren, indem man sie für spezielle Projekte reserviere.
Regierungschef Hilbe befand die Erhöhung für zumutbar und nicht schockierend. Er
kritisierte die Schlussfolgerung von Malin, man sei wegen höheren Einnahmen vom
Ausland abhängig und betonte die Abhängigkeit bedingt durch die Ausgaben: „Wir
diskutieren ständig Steuererleichterung; wir diskutieren riesige Erhöhungen von
Subventionen. Heute früh gab es noch einen neuen derartigen Antrag. Diese Ausgaben
müssen gedeckt werden. Ich glaube es grenzt an Massochismus, wenn man glaubt, wir
müssten dieses Problem der Ausland-Abhängigkeit über einen Verzicht auf Einnahmen
lösen. “311
Kindle widersprach und verwies auf den Zusammenhang von steigenden Einnahmen zu
steigenden Ausgaben und die Tendenz während den Wahlen sich zu überbieten. Malin
korrigierte, er wolle nicht auf Einnahmen verzichten, sondern habe nur von Reformen
gesprochen. Er meinte auch, die Finanzpolitik sei mehr als nur Einnahmen und Ausgaben:
„Es sind hier staatserhaltende Elemente im Spiel. Wenn sie eine Einnahmestruktur schaffen, die derart
auslandabhängig und derart labil ist und wir so auf dünnem Eis gehen müssen und nie wissen, wann wir
einbrechen, bei Gott, diesen Staat finanziell auf die Dauer zu speisen bei einer steten Ankurbelung der
Ausgaben: das führt zu keinem guten Ende. Davon bin ich fest überzeugt. Denn die eigentliche finanzielle
Realität liegt in dem, was unsere Leute zu schaffen und zu versteuern vermögen. “312
309 Ltp vom 27.11.73, S. 596.
910 Ltp vom 27.11.73, S. 597.
911 Ltp vom 27.11.73, S. 599.
912 Ltp vom 27.11.73, S. 600.
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