1. Rechtslage auf Gemeindeebene
Die Gemeinde ist eine mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete öffentlich-rechtliche (Gebiets-)
Kórperschaft.^* Im Gegensatz zum Kanton ist die Gemeinde aber nicht souverán, weshalb das
Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde, die sog. Gemeindeautonomie, vom kantonalen Recht
abhingig ist.* Die Schweiz hat die Europáische Charta der kommunalen Selbstverwaltung von
1985 1m Jahr 2005 ratifiziert, welche die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, die Gemeindeauto-
nomie in ihrem Rechtssystem umzusetzen.?? Diese Vorgabe ist mit Art. 50 Abs. 1 BV, welcher
die nach kantonalem Recht definierte Gemeindeautonomie gewährleistet, eingehalten.°! Ge-
máss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind "Gemeinden in einem Sachbereich autonom,
wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise
der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfrei-
heit einráumt".?? Den Gemeinden fallen alle óffentlichen Aufgaben zu, für welche im Sinne des
Subsidiaritátsprinzips weder Bund noch Kanton zuständig sind.” Von der Gemeindeautonomie
erfasst ist z.B. der Erlass von kommunalem Recht (Gemeindeordnung, Reglemente) und der
Spielraum beim Rechtsvollzug. Schweizer Gemeinden fassen ihre Beschlüsse in der Gemein-
deversammlung oder im Gemeindeparlament oder auch durch die Gemeindeexekutive, den Ge-
meinderat.?^
Fraglich ist, ob eine Gemeinde im Rahmen ihrer Autonomie dazu befugt wäre,
eine Sezession zu beschliessen. Weil die Autonomie von der kantonalen Rechtslage abhängig
ist, muss nun diese untersucht werden.
2. Rechtslage auf Kantonsebene
Die meisten Kantone haben die Gemeindeautonomie mit offenen Formulierungen wie "Die Ge-
meinden regeln ihre Angelegenheiten selbständig" oder "Die Autonomie der Gemeinden ist
gewährleistet" in ihren Kantonsverfassungen verankert.°° Die konkretere Selbstverwaltungs-
móglichkeit ergibt sich aus den spezifischen Sachgesetzen.?? Wichtige Aufgaben sind z.B. die
Gemeindeorganisation, das Bau- und Planungswesen sowie das Sozialwesen." Demgegenüber
wird der Entscheid über Bestand und Gebiet der Gemeinde nicht als Teil der Gemeindeautono-
mie gesehen, weil es sich bei einem solchen Beschluss nicht um eine zu erfüllende Aufgabe
“8 BIAGGINI/GACHTER/KIENER $ 11 N 31 ff.; vgl. z.B. $ 68 Abs. 1 KV LU; Art. 83 Abs. 3 KV ZH.
^? FIECHTER, S. 45.
59? HANGARTNER, S. 227.
3 SGK BV-KAGI-DIENER, Art. 50 N 5; MEYER, S. 234 f.
* BGE 137 1 235, E. 2.2; BGE 129 I 410, E. 2.
5 Anstatt vieler: Art. 83 Abs. 1 KV ZH.
5 HANGARTNER, S. 211.
55 Art. 85 Abs. 1 KV ZH und $ 68 Abs. 2 KV LU.
5$ BIAGGINI/GACHTER/KIENER $ 11 N 38; MEYER, S. 13.
57 MEYER, S. 15.