Volltext: Nachbar Ständestaat

3 oder in den sozial-romantischen Ideen 
pápstlichen Sozialenzyklika ,Quadragesimo Anno“ 
Karl von Vogelsangs®® prisentiert wurden, trafen auf immer breitere Resonanz.*® In diesem 
Sinne propagierte das Regime die Idee einer gesellschaftlichen und politischen Harmonisierung 
durch das Zusammenfassen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Berufsständen,?’ wobei 
mittels dieser Zusammenfassung und Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit der Klassen- 
kampf überwunden werden sollte.?* Beim Ideologieelement der Berufsstinde berief sich der 
Austrofaschismus direkt auf Quadragesimo Anno, indem das Regime proklamierte, der erste 
Staat zu sein, dessen Verfassung auf der pápstlichen Enzyklika basiere.?? Daran knüpft auch 
die Selbstbezeichnung als ,christlicher^ Staat und die Proklamierung eine Erneuerung des 
Staates im christlichen Sinne zu betreiben an, wobei „christlich“ primär als „katholisch“ 
verstanden wurde. Schlug sich im Selbstverständnis als „christlich“ der ideologische 
Hintergrund des Grossteils der Trägerschaft des austrofaschistischen Regimes nieder, diente 
dieses Selbstverständnis ferner zur Legitimierung des staatlichen und gesellschaftlichen 
Umbaus wie auch der Abgrenzung von politisch Oppositionellen und Juden." Doch trotz 
verbreitetem Antisemitismus im gesellschaftlichen und politischen Alltag"! spielte dieser in der 
offiziellen austrofaschistischen Politik selbst keine Rolle.? 
Angesichts der nationalsozialistischen Anschlusspropaganda vonseiten des Deutschen Reichs 
wie auch innerhalb Osterreichs bediente sich das austrofaschistische Regime zur Unter- 
mauerung der Unabhängigkeit Österreichs der sogenannten ,Osterreich-Ideologie“,** deren 
Kernpunkt die „Österreichische Mission“ bildete. Zwar beharrte die Ideologie auf der 
  
Form annehmen, mit dem Stand der höchsten Werte an dessen Spitze. Von jenem Stand solle die Herrschaft aus- 
gehen und stufenweise, von oben nach unten, ausgeübt werden. Maas, Dritter Weg und wahrer Staat, S. 79 — 93. 
Angesichts der zugespitzten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Zusammenhang mit der 
Weltwirtschaftskrise veróffentlichte Papst Leo XI. 1931, vierzig Jahre nach Rerum Novarum™ die zweite 
Sozialenzyklika Quadragesimo Anno. Darin wurde die berufsstándische Ordnung als das gesellschaftspolitische 
Ziel proklamiert, mittels welcher der Klassenkampf durch den Zusammenschluss von Arbeitgebern und 
Arbeitnehmern überwunden werden sollte. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass diese Erneuerung der Gesellschaft 
nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen sollte. Weber, Korporatismus statt Sozialismus, S. 80 — 83. 
3 Der aus einem pommerischen Adelsgeschlecht stammende Karl von Vogelsang (1818 — 1890) gilt als geistiger 
Vater der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Seit 1864 in Österreich wohnhaft, beschäftigte sich der 
konvertierte Katholik in Publikationen vor allem mit der sozialen Lage der unteren Bevölkerungsschichten. Den 
als desintegrativ empfunden Kräften des Kapitals stellte Vogelsang ein Gesellschaftmodell entgegen, das sich an 
ständischen Prinzipien und christlichen Werten orientierte. Zudem als Erzieher Fürst Johanns II. von Liechtenstein 
tätig, wurde Vogelsang 1859 in den fürstlich-liechtensteinischen Freiherrenstand erhoben. Mertelseder, 
Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein 2, S. 1013 — 1014. 
% Kluge, Der österreichische Ständestaat, S. 21 und 46 — 47. 
37 Tälos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 554. 
3 Ebd., S. 70. 
?? Hanisch, Der politische Katholizismus als ideologischer Trüger, S. 77. 
10 Talos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 73. 
4 Ebd., S. 490. 
® Jagschitz, Der österreichische Ständestaat, S. 499. 
5 'Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 74.
	        

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