1.2 Fragestellung
Diese Arbeit setzt sich damit auseinander, wie das neuetablierte Herrschaftssystem Österreichs
vonseiten Liechtensteins wahrgenommen wurde. Dabei liegt der Fokus der Arbeit explizit auf
dem Umgang der politischen Parteien Liechtensteins mit dem Austrofaschismus. Diese
Fokussierung ist nach Ansicht des Verfassers durch den Umstand begründet, dass die
Parteiendemokratie in Liechtenstein noch relativ neu und unerprobt war,? als in unmittelbarer
Nachbarschaft versucht wurde, ein Gegenmodell zum Parteiensystem und zur
parlamentarischen Demokratie zu realisieren. Es wird der Frage nachgegangen, welche
Haltung die liechtensteinischen Parteien — die Fortschrittliche Bürgerpartei, die Christlich-
soziale Volkspartei, der Liechtensteiner Heimatdienst und die aus der Fusion der letzteren zwei
Parteien 1936 herausgehende Vaterlándischen Union — zum Austrofaschismus einnahmen. In
diesem Rahmen wird untersucht, wie die Konstituierung und Herrschaftspraxis des Regimes
von den jeweiligen Parteien beurteilt wird, ob ideologische Übereinstimmungen der Parteien
zum Austrofaschismus auszumachen sind und inwiefern diese auf Einflüsse des austro-
faschistischen „Ständestaats‘“ zurückzuführen sind. Dabei reicht die Zeitspanne der Analyse
von der Konstituierung des Austrofaschismus unter Dollfuss, welche mit der Ausschaltung des
Nationalrats im März 1933 ihren Anfang nahm, bis zum Juliabkommen zwischen Schuschnigg
und Hitler 1936, welches die Basis für die Penetrierung des Regimes durch die deutschen
Nationalsozialisten bildete!! und den „Anschluss“ im März 1938 antizipierte.!?
1.3 Quellen
Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden in erster Linie die liechtensteinischen
Zeitungen herangezogen, welche sich im untersuchten Zeitraum im Umlauf befanden. Dies
empfiehlt sich, da die Zeitungen jeweils als Organ der jeweiligen Partei fungierten, P ein
Umstand der noch bis heute anhált.'* So gilt das Liechtensteiner Volksblatt als Blatt der
Fortschrittlichen Bürgerpartei, die Liechtensteiner Nachrichten waren der Christlich-sozialen
Volkspartei zugehörig, der Liechtensteiner Heimatdienst wurde von der gleichnamigen
Gruppierung herausgegeben und das Liechtensteiner Vaterland wurde nach der Fusion 1936 als
Parteiblatt der Vaterlándischen Union herausgegeben. ? Es ist als Besonderheit Liechtensteins
? Geiger, Krisenzeit 1, S. 304.
19 Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, S. 60 — 61.
!! Ebd., S. 66.
? Kustatscher, ,,Berufsstand* oder Stand“, S. 83.
P? Marxer, Medien in Liechtenstein, S. 28 — 29 und 34 — 35.
!! Ebd, S. 11.
P, Verweise auf die jeweiligen Zeitungen werden in den Fussnoten abgekürzt. So steht ,, VB“ für das
Liechtensteiner Volksblatt, , LHD“ fiir den Liechtensteiner Heimatdienst, , LN“ fiir die Liechtensteiner
Nachrichten und ,, VL* für das Liechtensteiner Vaterland.
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