Volltext: Nachbar Ständestaat

„Jedenfalls bekam auch der letzte Zweifler die Ueberzeugung, dass Dr. Dollfuss heute der 
Führer Osterreichs ist [...] und grósstes Vertrauen im Grossteil des österr. Volkes geniesst“.!” 
Grundsátzlich ist bei der Bürgerpartei eine ablehnende Haltung gegenüber dem Parteiwesen als 
solchem festzumachen. Im Volksblatt ist dazu wiederholt die Rede vom ,,zerstórenden Keil der 
Parteipolitik“ im „Fleisch des Volkes“!° vom parteigebundenen Abgeordneten, ,,der oft als 
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Feind des eigenen Volkes“! 
erscheint, und insgesamt, dass „Parteien in Liechtenstein nicht 
sein müssten“ !° Nach Geiger speist sich diese Abneigung gegen Parteien aus einem dem 
Konservatismus des 19. Jahrhunderts folgenden Verständnis von Staat und Gesellschaft als 
natürlich gegliedertem Ganzen. Demgegenüber sind Parteien als spaltende Elemente in einem 
nach Harmonie strebenden Gesellschaftskórper abzulehnen.!é! Damit verbunden war die 
Ablehnung gegen das von der Volkspartei geforderte Proporzwahlsystem, da es die Parteien 
gesetzlich verankere und die ,, Volkseinheit immer mehr zersplittert^ !9? 
werde. Die Probleme, 
die aus dem Proporz folgen würden, würden die ,Auswüchse eines überspitzten 
Parlamentarismus“ der umliegenden Staaten veranschaulichen.? Um die Etablierung des 
Austrofaschismus zu erkláren, zog man ebenfalls den „überspitzten Parlamentarismus“ heran, 
indem das Volksblatt den autoritären Kurs der österreichischen Regierung als „de[n] einzige[n] 
Ausweg aus dem Dilemma des österreichischen Parlamentarismus mit seinen wunderbaren 
Stilblüten* bezeichnete.!6* Somit bejahte das Bürgerparteiblatt zwar den autoritären Kurs, aber 
Österreich galt hierbei nicht als Vorbild für eine ständische Ordnung, sondern diente primär als 
negatives Beispiel für die Folgen des Proporzes. 
In der bürgerparteilichen Abneigung gegen Parteien finden sich gewisse Übereinstimmungen 
zur austrofaschistischen Ideologie, die sich „gegen die als ‚widernatürlich‘ gesehene Teilung 
des Volkes in politische Parteien“ richtete.!°* Andrerseits konnte der Heimatdienst diese 
bürgerparteiliche Haltung aufnehmen und proklamieren, dass sie sich vom Grundsatz des 
parteilosen Staates mit der Regierungsübernahme 1928 verabschiedet habe. Jetzt führe der 
Heimatdienst den Gedanken des parteilosen Staates fort und mit der ständischen Ordnung habe 
er das Mittel, diesen auch zu verwirklichen.!°° Besonders im Kontext der Ständestaats- und 
  
157 VB, 14.9.1933, S. 1. 
158 VB, 10.8.1933, S. 1. 
159 VB, 20.7.1933, S. 1. 
160 VB, 21.10.1933, S. 2. 
161 Geiger, Krisenzeit 1, S. 64. 
162 VB, 6.4.1935, S. 1. 
163 VB, 20.6.1933, S. 1. 
164 VB. 24.4.1934, S. 1. 
165 Staudinger, „Österreich“- Ideologie, S. 48. 
166 LHD, 12.1.1935, S. 1. 
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