1928 der Lehrer Alfons Kranz."* Nach dem Regierungswechsel versuchte die Bürgerpartei ihre
errungene Macht zu konsolidieren. So nutzte sie den Sparkassaskandal aus, um mittels politisch
motivierten Prozessen gegen Altregierungschef Gustav Schádler und Wilhelm Beck die
Volkspartei weiter zu schwichen.” Das politische Klima Liechtensteins war nach 1928 von
einem verschärften Konfrontationskurs der beiden Parteien geprägt, was einer Bewegung
Vorschub leistete, die die Zerschlagung des Parteiensystems proklamierte.
3.2 Aufkommen des Liechtensteiner Heimatdienstes
Im Oktober 1933 betrat mit dem , Liechtensteiner Heimatdienst" eine neue Bewegung die
politische Bühne Liechtensteins. Inspiriert von staatsautoritiren Bewegungen in den
umliegenden Staaten, kreiste die zentrale Forderung des Heimatdienstes um die Abschaffung
des Parteiensystems und die Einführung einer stándestaatlichen Ordnung in Liechtenstein,
wozu sich aber zunehmend auch nationalsozialistisches Gedankengut und antisemitische
Tendenzen gesellten.*! Den Namen entlehnte die Bewegung der vorarlbergischen Heimatwehr-
organisation, dem ,, Vorarlberger Heimatdienst".? Bereits zuvor demonstrierten anfangs der
Dreissigerjahre entstandene politische Bewegungen wie der „Liechtensteinische Frei-
wirtschaftsbund“® und der Kreis um die „Liechtensteinische Arbeiterzeitung“**, dass ein
Potenzial von politisch Unzufrieden mit Forderungen nach radikalem Wandel vorhanden war.
Die Rotter-Entführung? verdeutlichte zudem, dass der Nationalsozialismus auch in
Liechtenstein Anhänger fand.®° Hier konnte der Heimatdienst erfolgreich anknüpfen, wie das
7$ Marxer, Medien in Liechtenstein, S. 24.
? Geiger, Krisenzeit 1, S. 314 — 318.
80 Wille. Landtag und Wahlrecht, S. 102.
8! Car], Liechtenstein und das Dritte Reich, S. 427.
8 Gôtsch, Vorarlberger Heimwehr, S. 35.
$$ Der ,Liechtensteinische Freiwirtschaftsbund“ wurde 1931 gegründet und propagierte nach den Vorstellungen
der Freiwirtschaftslehre die. Abschaffung des Zinses und die Einführung von sogenanntem ,Freigeld", einer
Währung, die regelmässig an Wert verliert. Geiger, Krisenzeit 1, S. 192.
*! Der Liechtensteinische Arbeiterverband hatte sich 1931 aus parteipolitischen Gründen in einen „unteren“
regierungsloyalen und einen „oberen“ Arbeiterverband, der der Volkspartei näher stand, aufgespalten. Der
radikalere „obere“ Arbeiterverband publizierte von März 1932 bis Mitte 1933 die „Liechtensteinische
Arbeiterzeitung“, die vor allem durch antikapitalistische, regierungs- und parteikritischen Rhetorik auf sich
aufmerksam machte. Ebd., S. 339 — 340.
55 Die 1931 in Liechtenstein eingebürgerten jüdischen Brüder Alfred und Fritz Schaie, genannt Rotter, besassen
in Berlin mehrere Theater, wurden jedoch durch antisemitischen Druck in den Konkurs getrieben. Die deutsche
Presse warf den Brüdern, die sich seit Beginn 1933 in Liechtenstein aufhielten, betrügerisches Vorgehen bei ihrem
Konkurs vor und forderte deren Auslieferung. Durch die Pressekampagne angestachelt beschlossen vier
liechtensteinische Nationalsozialisten, die Brüder zu entführen und den deutschen Behórden auszuliefern. Die
Brüder Rotter wurden auf das Alpenkurhaus ,,Gaflei” gelockt und hätten dort von den vier Nationalsozialisten mit
Hilfe von fünf angeheuerten Deutschen überwältigt werden sollen. Der Überfall scheiterte, wobei jedoch Alfred
Rotter und seine Ehefrau auf der Flucht vor den Attentätern tödlich verunglückten. Die liechtensteinischen Täter
wurden zu milden Kerkerstrafen von vier Monaten bis zu einem Jahr verurteilt. Brunhart / Büchel / Frommelt et
al., Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, S. 780 — 781.
36 Geiger, Krisenzeit 1, S. 365 — 367.
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