Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2021) (2021)

20161207 Gradients 04. 
politische Situation. Von da an musste man sich mit 
der linken, der ultralinken und der anarchistischen Be- 
wegung auseinandersetzen, ob man wollte oder nicht. 
Wer noch malte, wurde von vielen Aktivisten schräg 
angesehen oder gar beschimpft. Die ideologischen 
Auseinandersetzungen zwischen den Dutzenden von 
linksgerichteten Zellen verliefen extrem hart und 
dogmatisch. Die Bilder aus Vietnam waren schwer zu 
ertragen. Die ganze Welt schien düster geworden zu 
sein. Es gab Selbstmorde von Kollegen und Kollegin- 
nen. Diese Zeit hat mich als Person sehr geprägt und 
auch mein politisches Denken. 
1970, am Ende meines Studiums, ging es mir psy- 
chisch sehr schlecht. Ich gab die Malerei auf. Als Re- 
ferendar in der Schule zu arbeiten war nicht mög- 
lich. So landete ich eher zufällig als Fotograf bei der 
Stiftung Warentest. Trotz der weiterhin andauernden 
politischen Spannungen (Vietnamkrieg, Linksterro- 
rismus ...) wurde für mich das Leben etwas sonniger. 
Die Arbeit gefiel mir. Ich lernte ganz andere Menschen 
kennen und damit auch Berlin von einer ganz anderer 
Seite. Ich hatte viele Freunde und Bekannte. Als Foto- 
graf wurde ich in Prüfinstitute nach Westdeutschland 
geschickt, aber auch nach Holland und in die Schweiz 
Bei solchen Gelegenheiten besuchte ich auch mal ein 
Museum, wenn ich gerade Zeit hatte. In Berlin habe 
ich nebenbei von Galerien Aufträge erhalten, Kunst 
für Kataloge und Ausstellungen zu fotografieren. E: 
war immer ein wehmütiges Gefühl dabei, denn gemalı 
hatte ich etwa fünf Jahre nicht mehr. Langsam wuch: 
in mir immer mehr der Wunsch, wieder zu zeichner 
und zu malen. So fing ich wieder ganz von vorne an - 
gegenständlich: Porträts und Akte. Je mehr ich wiedeı 
kreativ war, desto mehr hatte ich das Gefühl, von Ber 
lin wegziehen zu müssen. 
1977 heiratete ich. Wir wollten Kinder haben, abe: 
meine Frau und ich fanden dafür Berlin nicht als den 
geeigneten Ort. Die Kriminalität war sehr gross. Dro 
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