bemerkbar, ich weiß es nicht, ich habe gar keinen
Einblick. Viele Staaten von dem Glanze
Roms geblendet, gründen nun eigene Aka-
demien dort schicken junge Leute hin, welche aber
blos nachahmen und ihr eigenes Empfinden
und Naturäl das sie vom Norden mitge-
bracht dem romanischen Temperament
anzupassen zwingen, dies rächte sich
streng, die Kunst lag krank, bis erst
die Münchner Schule von dem alten Zopf
sich los riß und selbständig durch aus
gezeichnete Talente und Gönner be-
günstigt, welche sie ja, bester
Onkel theilweise noch persönlich gekannt
haben, andern als Muster vorauseilte,
Italien ist in der jetzigen Kunstrichtung,
welche doch auch ausgezeichnetes schafft
weit hinten, ob aber seine alten Meister-
werke jemals wieder erreicht werden
ist sehr fraglich, unmöglich währe [sic!] es ja
nicht, doch in welchem Staate wird jemals
wieder so viel Geld zusammenfließen
u. ein solcher Luxus herrschen wie in Rom,
ohne diese kollosal [sic!] umfangreichen Bauten
und der daraus entspringenden risigen [sic!]
Aufträge für Maler u. Bildhauer wäre
auch ein Michelangelo undenkbar.
Ich werde mit Ende Novemb. nach Hause kommen
und
mich vorher in einigen kleinen Städten wie
Modena Padua u.s.w. aufhalten, vor
Neujahr werde ich kaum nach München kommen
da die Tage doch sehr kurz u. kalt die Atiliers [sic!]
aber immer gleich theuer bleiben dann geht es aber
los und wie, wir werden sehen. Es grüßt Sie viel-
mals in dankbarer Anerkennung Ihrer Güte
verbleibe ich Ihr Neffe Egon Rheinberger.
Darf ich auch meiner Schwester Olga einen Gruß
beifügen.
Am Rand der letzten Seite:
Entschuldigen Sie gütigst, sollte mir Olga was mit-
zutheilen
haben meine Adresse ist Via della Pergola 2/T (bei
Lenzi mein
Hausherr)
Es hatte die beiden Künstler gegen Ende ihrer Reise
noch einmal nach Florenz gezogen. Josef Rheinberger
kannte Florenz aus eigener Anschauung. Seine Frau
Franziska von Hoffnaass hat einer Reise, die beide im
September 1874 nach Florenz führte, einen ausführ-
lichen Reisebericht gewidmet.® In einem Brief Josef
Rheinbergers an den Musikhistoriker August Wilhelm
Ambros heisst es dazu: «Den Monat September brach-
ten wir in Italien zu, d. h. Oberitalien; für Rom und
Neapel reichte die Zeit wohl nicht hin. Wir machten
die Rundreise: Verona, Mailand, Bologna, Florenz, Ve-
nedig & Verona zurück und sahen so viel des Schönen,
dass wir Beide noch jetzt ganz erfüllt davon sind.»®
Und weiter heisst es dort: «Gegenwärtig schreibe ich
an einer Sinfonie, welche zu meiner Überraschung die
Societä orchestrale di Firenze bei mir bestellte.»” Der
Widerhall dieser Reise ist in Josef Rheinbergers Sin-
fonie Nr. 2 in F-Dur, der sogenannten «Florentiner Sin-
‘onie» zu hören, an welcher der Komponist im Winter
1874/75 arbeitete und die er dann im Januar und Fe-
bruar 1875 zu Papier brachte.?
Im Reisebrief an seinen Onkel machte Egon Rheinber-
ger kein Hehl aus seiner Vorliebe für das Florenz der
Spätgotik und der Frührenaissance gegenüber dem von
ihm als pompös empfundenen barocken Rom. In einem
Brief nach Hause heisst es kurz und bündig: «Florenz
ist in künstlerischer Beziehung die schönste Stadt von
Italien.»° Diesmal wohnten die beiden Künstler in der
Via della Pergola etwas näher im Zentrum der Stadt als
bei ihrem ersten Aufenthalt. Schon von diesem hatte
Egon Rheinberger über die Lage der Stadt nach Hause
oerichtet: «Florenz liegt in einem Kessel rings umgeben
von Hügel nicht so hoch wie der Schellenberg aber
alles sehr fruchtbar bewachsen mit Obst- und Olifen-
bäumen [sic!] an welchen sie den Wein pflanzen. Die
Weinstöcke sind alle sehr alt. Sie schneiden die Reben
auch furchtbar lang einjährige Triebe 3 bis 4 m. welche
sie von einem Baum zum andern ziehen.»!°
Um nun aber doch auch einen Blick in den künstleri-
schen Ertrag der Reise zu werfen, sei hier ein Beispiel
aus den Zeichnungen herausgegriffen. Einen Schwer-
punkt von Egon Rheinbergers Interesse bildeten, wie
schon in Venedig, die Grabmäler der Renaissance. Be-
sonders angetan hatte es ihm das Grabmal des Bal-
dassare Cossa (um 1370-1419), dem Gegenpapst
Johannes XXIIL, im unweit der Via della Pergola ge-
legenen Baptisterium San Giovanni gegenüber dem