Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2021) (2021)

bemerkbar, ich weiß es nicht, ich habe gar keinen 
Einblick. Viele Staaten von dem Glanze 
Roms geblendet, gründen nun eigene Aka- 
demien dort schicken junge Leute hin, welche aber 
blos nachahmen und ihr eigenes Empfinden 
und Naturäl das sie vom Norden mitge- 
bracht dem romanischen Temperament 
anzupassen zwingen, dies rächte sich 
streng, die Kunst lag krank, bis erst 
die Münchner Schule von dem alten Zopf 
sich los riß und selbständig durch aus 
gezeichnete Talente und Gönner be- 
günstigt, welche sie ja, bester 
Onkel theilweise noch persönlich gekannt 
haben, andern als Muster vorauseilte, 
Italien ist in der jetzigen Kunstrichtung, 
welche doch auch ausgezeichnetes schafft 
weit hinten, ob aber seine alten Meister- 
werke jemals wieder erreicht werden 
ist sehr fraglich, unmöglich währe [sic!] es ja 
nicht, doch in welchem Staate wird jemals 
wieder so viel Geld zusammenfließen 
u. ein solcher Luxus herrschen wie in Rom, 
ohne diese kollosal [sic!] umfangreichen Bauten 
und der daraus entspringenden risigen [sic!] 
Aufträge für Maler u. Bildhauer wäre 
auch ein Michelangelo undenkbar. 
Ich werde mit Ende Novemb. nach Hause kommen 
und 
mich vorher in einigen kleinen Städten wie 
Modena Padua u.s.w. aufhalten, vor 
Neujahr werde ich kaum nach München kommen 
da die Tage doch sehr kurz u. kalt die Atiliers [sic!] 
aber immer gleich theuer bleiben dann geht es aber 
los und wie, wir werden sehen. Es grüßt Sie viel- 
mals in dankbarer Anerkennung Ihrer Güte 
verbleibe ich Ihr Neffe Egon Rheinberger. 
Darf ich auch meiner Schwester Olga einen Gruß 
beifügen. 
Am Rand der letzten Seite: 
Entschuldigen Sie gütigst, sollte mir Olga was mit- 
zutheilen 
haben meine Adresse ist Via della Pergola 2/T (bei 
Lenzi mein 
Hausherr) 
Es hatte die beiden Künstler gegen Ende ihrer Reise 
noch einmal nach Florenz gezogen. Josef Rheinberger 
kannte Florenz aus eigener Anschauung. Seine Frau 
Franziska von Hoffnaass hat einer Reise, die beide im 
September 1874 nach Florenz führte, einen ausführ- 
lichen Reisebericht gewidmet.® In einem Brief Josef 
Rheinbergers an den Musikhistoriker August Wilhelm 
Ambros heisst es dazu: «Den Monat September brach- 
ten wir in Italien zu, d. h. Oberitalien; für Rom und 
Neapel reichte die Zeit wohl nicht hin. Wir machten 
die Rundreise: Verona, Mailand, Bologna, Florenz, Ve- 
nedig & Verona zurück und sahen so viel des Schönen, 
dass wir Beide noch jetzt ganz erfüllt davon sind.»® 
Und weiter heisst es dort: «Gegenwärtig schreibe ich 
an einer Sinfonie, welche zu meiner Überraschung die 
Societä orchestrale di Firenze bei mir bestellte.»” Der 
Widerhall dieser Reise ist in Josef Rheinbergers Sin- 
fonie Nr. 2 in F-Dur, der sogenannten «Florentiner Sin- 
‘onie» zu hören, an welcher der Komponist im Winter 
1874/75 arbeitete und die er dann im Januar und Fe- 
bruar 1875 zu Papier brachte.? 
Im Reisebrief an seinen Onkel machte Egon Rheinber- 
ger kein Hehl aus seiner Vorliebe für das Florenz der 
Spätgotik und der Frührenaissance gegenüber dem von 
ihm als pompös empfundenen barocken Rom. In einem 
Brief nach Hause heisst es kurz und bündig: «Florenz 
ist in künstlerischer Beziehung die schönste Stadt von 
Italien.»° Diesmal wohnten die beiden Künstler in der 
Via della Pergola etwas näher im Zentrum der Stadt als 
bei ihrem ersten Aufenthalt. Schon von diesem hatte 
Egon Rheinberger über die Lage der Stadt nach Hause 
oerichtet: «Florenz liegt in einem Kessel rings umgeben 
von Hügel nicht so hoch wie der Schellenberg aber 
alles sehr fruchtbar bewachsen mit Obst- und Olifen- 
bäumen [sic!] an welchen sie den Wein pflanzen. Die 
Weinstöcke sind alle sehr alt. Sie schneiden die Reben 
auch furchtbar lang einjährige Triebe 3 bis 4 m. welche 
sie von einem Baum zum andern ziehen.»!° 
Um nun aber doch auch einen Blick in den künstleri- 
schen Ertrag der Reise zu werfen, sei hier ein Beispiel 
aus den Zeichnungen herausgegriffen. Einen Schwer- 
punkt von Egon Rheinbergers Interesse bildeten, wie 
schon in Venedig, die Grabmäler der Renaissance. Be- 
sonders angetan hatte es ihm das Grabmal des Bal- 
dassare Cossa (um 1370-1419), dem Gegenpapst 
Johannes XXIIL, im unweit der Via della Pergola ge- 
legenen Baptisterium San Giovanni gegenüber dem
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.