Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2019) (2019)

de zur Frühlings- und Sommeratzung und was noch 
übrig blieb, fand als Streue Verwendung. Zweifellos 
von nicht geringerer Bedeutung war für die Balzner 
und Mälsner das von ihnen behauptete Wegrecht zum 
Viehtrieb vom Mälsner Berg — wohl örtlich identisch 
mit dem Fläscher Berg, dem Bergrücken südlich von 
Mäls zwischen Rhein und Prad — über das Riet zum 
St. Katrinabrunna am Fusse des Andsteins. Weg- und 
Nutzungsrecht war somit eine Angelegenheit, die die 
ganze Dorfgemeinschaft mehr oder weniger betraf, 
das Riet wurde genossenschaftlich genutzt und stand 
in Gemeindebesitz. Auf der Fläscher und Maienfelder 
Seite dagegen waren nur einige wenige Dorfgenos- 
sen in den Konflikt involviert, die denn auch explizit 
namentlich in der Urkunde aufgeführt werden. Und 
die getroffene Entscheidung, darauf ist zurückzukom- 
men, scheint diesem Umstand auch Rechnung getra- 
gen zu haben. Dass sich die Dorfgenossen von Fläsch 
und Maienfeld nicht in corpore an diesem kostspieli- 
gen Streit beteiligten, scheint verständlich, betraf der 
Konflikt doch nur einige Mitbewohner, die jenseits der 
St. Luzisteig im Grenzgebiet zu Balzers über wohl 
immer wieder umstrittene Nutzungs- bzw. Eigentums- 
rechte verfügten. Ob dieses Abseitsstehen als Hinweis 
auf mangelnde Solidarität unter den Dorfgenossen zu 
werten ist, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls konn- 
ten sich die Kläger aus Maienfeld und Fläsch nicht auf 
das Gewicht der ganzen Dorfgemeinschaft in ihrem 
Streit mit Balzers berufen, was ihre Chancen für einen 
günstigen Entscheid wohl geschmälert haben mag. 
Der Entscheid 
Den drei Brüdern Wolfhart VI, Sigmund I. und Ulrich 
von Brandis oblag es nun, zwischen ihren Untertanen 
dies- und jenseits der St. Luzisteig zu vermitteln und 
ine von beiden Konfliktparteien akzeptable Entschei- 
dung zu treffen. Die Einberufung eines neuen Schieds- 
gerichts kam allerdings nicht mehr in Frage, denn es war 
wohl davon auszugehen, dass dieses sich nicht einigen 
konnte und der Stichentscheid letztendlich bei den 
Brandisern lag. Unmissverständlich halten die Brandi- 
ser Brüder denn auch fest wie wir alle dry gemainlich sy 
baid tail hierumb mit vnserm spruch jn der guttigkait ent- 
schaiden vnd zwischent jn nach vnser besten verstantnuss 
vssprechent, das sy daz vff baiden tailn vnd menglich 
von jrn wegen waur, vest vnd stett halten vnd haben | 
sollent vnd darwider dannenthin ewigclich niemermere 
nicht reden, sin noch thun jn kainen wege, sunnder dem 
gestragktz vnd ane waigrunnge nachkomen by jrn gutten 
vnd handgegebnen trüwen, damit sy vns das zu haltendt 
an aydes statt gelobt, |!* versprochen vnd verhaissen ha- 
hend. Kein Gerichtsentscheid sollte die Streitparteien 
also zur Ruhe und Ordnung an der St. Luzisteig zwin- 
gen, vielmehr setzte man auf beiderseitige Einsicht und 
Kompromissbereitschaft, sodass eine Regelung jn der 
guttigkait vorgenommen werden konnte. Allerdings — 
und das scheint für die Brandiser nicht weniger klar 
gewesen zu sein — war es höchste Zeit, gleichsam 
Nägel mit Köpfen zu machen, diesen mererer mu, 
beschwarunng, vnrates, arbait, costung vnd | scheden 
verursachenden Konflikt ein für alle Mal aus der Welt 
zu schaffen. Und trotzdem der Sachverhalt aufgrund 
der vorangegangenen Bemühungen um eine schieds- 
gerichtliche Lösung unter Wolfhart VI. eigentlich klar 
gewesen sein dürfte, musste das ganze Prozedere er- 
neut wiederholt werden, denn es galt für die Brandi- 
ser wohl die verbindlichen Rechtsformen einzuhalten, 
sodass sy baid parthyen mer dann zu ainem |!° für uns 
ff die stosse vnd an annder ennde zu tagen berufft, jr 
haidersit clag, red vnd widerrede, kuntschafft, lüt, brieue 
vnd alles, das si gegen ainanndern getrüwten zugenies: 
sen, das sy vns och jn geschriffte geantwurt zu jrm gut 
ten wolbenugen vnd nach not- |!” turfft aigentlich gehort 
haben. Schliesslich wurde nach zitigem raute gaistlicher 
nd weltlicher erbrer, wyser lüte vnd vnser selbs besten 
verstantnuss die Entscheidung getroffen und die Bran- 
diser Brüder präsentierten ihren mynne spruch jn der 
guttigkait also. Den Balznern wurde die Nutzung des 
umstrittenen Riets vom «Landgraben» aufwärts bis zu 
den Pradwiesen als Allmend eingeräumt und zwar bis 
zu einer durch Marksteine gekennzeichneten Grenze. 
Allen Dorfgenossen wurde somit das Recht zugestan- 
den, dass sie, das obgeschriben riete von dem vorgenemp- 
ten lantgraben hinuffwert gegen den Prad Wisen nützen, 
n“iessen, mayen, mit jrm viche waiden vnd das zu aller 
ir notturfft |!? bruchen söllent vnd mügendt alz jr gemain 
gut bis an vnd jn die margken vnd margkstain, die wir 
an dem ennde durchuss habend gestelt. Den betroffenen 
Fläschern und Maienfeldern kam man insoweit entge- 
gen, dass man ihnen die Nutzung der in Privatbesitz 
efindlichen Rietteile bis an den erwähnten Grenz- 
verlauf zusicherte, wobei festgehalten wurde, als Be- 
dingung oder aus Eigeninteresse muss dahingestellt 
oleiben, dass sie jn jrem costung ainen nuüwen graben 
solichen vorgeschribnen vnnsern ge- |? setzten margken
	        

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