Guscha-Heuet. Dann war im Tal das Heu eingebracht,
Emd und Korn noch nicht soweit, die Reben oben am Sti
ckel geheftet und bis zum nächsten Spritztermin war man
wieder zuhause. Die Kühe befanden sich auf der Alp und
die Ochsen in der «Fadella» (Allmeind oberhalb Jenins).
Wie kann man sich die Bewirtschaftung dieser Mäder
vorstellen?
Meine Erinnerungen gehen über 90 Jahre zurück. Mit
sechs, sieben Jahren wurde ich zum ersten Mal, von mei-
nem Vater im «Räf» (Rückentraggestell aus Holz) getra-
gen, mitgenommen. Wir waren wie viele andere im Dorf
Kleinbauern mit ein paar Häuptern Vieh und etwas Win-
gert. War Ende Juli/ Anfang August gutes Wetter in Aus-
sicht, so verabredete man sich zum Aufbruch nach der
Guscha. Vollbepackt mit «Räß» und Rucksäcken nahm
man den Aufstieg unter die Füsse, wobei man sich im
Guschadörfli mit den immer gastfreundlichen Familien
Just zu einer Verschnaufpause traf. Angekommen, erfolgte
die Einrichtung im «Bargün» (kleine Heuhütte aus Rund
holz mit einer niedrigen Trockenmauer als Fundament,
grössere zur Lagerung des Heus über den Winter, aber
auch als Unterkunft beim Bergheuet). Dann verschaffte
man sich einen Überblick im Mad. Früh morgens begann
der Vater mit scharf gedengelter Sense zu mähen. Uns
Kinder wies er an, die damals schon verbreiteten «Brüch»
(verholztes Sommerheidekraut) zu entfernen, da sie als
Futterpflanze unbrauchbar waren. Diese Arbeit hinderte
meine Schwester und mich nicht daran, uns gelegentlich
ins angrenzende «Guferwäldli» zu verziehen, wo Feuer-
lilien und Türkenbund in Fülle blühten. Nie mehr habe
ich anderswo so viele gesehen. Man hat im Freien auf ein
paar Steinen gekocht. Bei gutem Wetter war das kurze
Berggras bald dürr genug, um eingebracht zu werden. In
unserem Mad liess es sich leicht über den steilen, gemäh-
ten Hang hinunterstossen. Im Unterschied zu Verwand-
ten, die weiter unten im Dürrwald geräumigere «Bargün»
hatten und das Heu dort einlagerten, erstellten wir zur
zur Lagerung des Heus eine «Triste» (kegelförmiger, um
eine Stange aufgeschichteter Haufen Heu zur Lagerung
des Heus über den Winter). Mit vereinten Kräften wuchs
sie jeden Tag. Während die Eltern das Heu mit der Gabel
hinauf gaben, verteilten und stampften wir Kinder das
Futter rund um die Mittelstange.
Die Tage auf der Guscha vergingen wie im Flug. Trotz
harter Arbeit herrschte keine Hektik. Auch wenn einmal
ein Gewitter mit Blitz und Donner über den Grat zog, ein
Regen- oder Hagelschauer auf das Schindeldach prasselte,
sass man zusammen im «Bargün» und fühlte sich gebor-
gen. Auch unsere Eltern, die Ferien nicht kannten, genos-
sen die Zeit. Fast wehmütig nahm man dann Abschied
vom Guschamad. Während wir auf der Guscha waren,
sind Neni und Nana mit den kleinen Kindern im Tal ge-
blieben und haben die Schweine und Hühner besorgt.
Wie kam das Heu dann im Frühjahr ins Tal?
Der Abtransport des Guschaheus gestaltete sich wesent-
lich mühsamer. Ich erinnere mich, dass wir jeweils gegen
Frühling ins Guschadörfli hinauf stiegen, um diese Arbeit
zu besprechen. Telefonverbindung gab es ja noch keine.
Manchmal kamen die Guschner am Sonntag auch zu
uns. Wir hatten mit ihnen eine fast verwandtschaftliche
Beziehung, vielleicht, weil die Bantli auch Walser sind wie
die Guschner. Man war auf Rat und Tat der Just-Brüder
aus Guscha angewiesen. Möglich wurde der Transport
erst, wenn die grosse «Läui» (Lawine) im Guschnertobel
niedergegangen war und den grobblockigen Bachlauf hin-
ter der Säge auffüllte. Nur so konnte das Tobel mit dem
Heuzug überquert werden. Die Handschlitten, auf dem
Rücken herauf getragen, wurden bei der Ausmündung des
«Heuris» (unbewachsene, steile Rinne am Berghang, die
zum Abtransport des Heus genutzt wurde) deponiert.
Mit Heuschrote und Heuseilen ausgerüstet, erfolgte der
Aufstieg zum «Bargün» und zur «Triste». Hier wurde aus
«Tannenzipflig» (Tannnenwipfel) ein «Schleipf» (eine Art
Schlitten) konstruiert, in dem zur Bremswirkung auch
einige grössere Äste belassen wurden. Dann folgte die
Beladung mit sauber ausgeschroteten und mit Seilen fest
eingebundenen Heuburden (Heubündel). Die nicht un-
gefährliche Fahrt durch das steile «Heuris» hinunter er-
forderte dann starke und flinke Beine. Bei den Schlitten
wurde umgeladen, über den Lawinenschnee das Tobel
überquert und die kurze Gegensteigung in Angriff genom-
men. Hier musste man sich gegenseitig helfen. Je nach
Wegverhältnissen konnten wir auf die Mithilfe der Gu-
schner zählen. Nach kurzer Rast im Dörfli ging es dem
Tale zu. Es erforderte grosse Kraft und Konzentration,
die schwer beladenen Handschlitten den steilen Guscha-
weg hinunter zu manövrieren. Ich bin damals als kleiner
Schulbub hinterher gelaufen. Aber noch heute, wenn ich
den Weg begehe, denke ich an diesen Transport, der die
aus Ahorn gefertigten Schlittensohlen abrieb und Brand-
geruch erzeugte. Unten bei der «Heutanne» wartete das
Ochsengespann mit einem eisenbereiften Leiterwagen,
später dann ein Pferdezweispänner mit einem Brücken
wagen. Das ging zwei-, dreimal, bis das ganze Heu unten
IC