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Manuela Nipp
Kein Armenhaus für Balzers
Vor der Professionalisierung der Sozialfürsorge waren
es bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem die
Kirche und die Gemeinde, die Hilfe für Bedürfti
ge leisteten. Wenn möglich kümmerten sich in ers
ter Linie Familienangehörige sowie Verwandte um
Kranke und Verarmte. Wichtige Reformen in der
liechtensteinischen Armenfürsorge wurden im 19.
Jahrhundert durchgesetzt. In mehreren Gemeinden
des Landes wurden Armenhäuser und Bürgerheime
errichtet, nicht jedoch in Balzers. Der folgende Bei
trag setzt sich mit der Frage auseinander, warum es in
Balzers nicht zur Errichtung eines Armenhauses kam.
Dabei zeigt es sich, dass mehrere Versuche zum Bau
eines Balzner Armenhauses gescheitert sind.
Zur Geschichte der Armenfürsorge
in Liechtenstein
Gemäss der Polizeiordnung von 1577 sollten zur Fi
nanzierung der Unterstützung für Arme und Kranke
freiwillige Armenspenden dienen, die als Almosen in
der Kirche gesammelt wurden. 1 Diese «Spend» be-
zeichnete seit dem späten Mittelalter die Armenkas
se. 2 Seit dem 16. Jahrhundert kamen Armenanstalten
auf, die von Spendmeistern oder Spendvögten [soge
nannten «Armenvätern»] verwaltet wurden. 3
Reformen für die liechtensteinische Armen- und Für-
sorgepolitik brachte der Besuch von Fürst Alois II.
im Jahr 1842. Bei seinem Besuch in Liechtenstein
liess der Fürst 120 Gulden Reichswährung zuguns
ten der Ärmsten verteilen. Zusätzlich spendete er
den Gemeinden l'OOO Gulden für denselben Zweck.
Diese Initiative und Unterstützung führte 1845 zur
Gründung eines Landesarmenfonds. Heiratsgebüh
ren sowie die Einnahmen von Steuern und Strafgel
dern kamen diesem Landesarmenfonds zugute. 4 Das
Gemeindegesetz von 1842 ermöglichte zudem die
Übertragung von traditionellen Spend-Einnahmen in
den neuen «Armenfonds». 5
Das spätere Gemeindegesetz von 1864 regelte unter
Paragraph 81, dass der Gemeinderat dem Vorsteher
die finanziellen Mittel zur Hilfe für Gemeindear
me gewährleisten soll. 6 Die Gemeindegesetze des
19. Jahrhunderts bestätigten den traditionellen, seit
dem frühen 16. Jahrhundert geltenden Grundsatz,
dass die Armenfürsorge eine Aufgabe der Gemeinde
war. Doch nur in einer Gemeinde eingebürgerte be
ziehungsweise heimatberechtigte Personen kamen in
den Genuss dieser Unterstützung durch die Gemein
de. Es überrascht in diesem Zusammenhang wenig,
dass eine Gemeinde sehr zurückhaltend war bei der
Einbürgerung von mittellosen Personen. 7
Seite 6: Der Katasterplan aus derZeit um 1870 zeigt die
konzentrierte Häusersituation im Mälnser Dorf, wo das Haus
Nr. 17 (Altes Schulhaus) im dicht bebauten Kern steht. Das
Alte Schulhaus in Mals wurde zur Nutzung als Artnenhaus in
Betracht gezogen.