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den Stuben war auch der «Reimmichl-Kalender». Im
Radio war neben den Mittagsnachrichten der Schwei
zerischen Depeschenagentur um halb eins und dem
«Echo der Zeit» am Abend, die von Radio Beromüns
ter ausgestrahlt wurden, viel Erbauliches und Unter
haltendes zu hören, es war kein «Begleitmedium»,
das einen mehr oder wenig beachteten «Musik- bzw.
Lärmteppich» legte. Geradezu legendär und auch bei
uns viel gehört waren im österreichischen Rundfunk
die Morgenpredigt des wortgewaltigen Paters tieinrich
Suso Braun 13 sowie am Nachmittag das Wunschkon
zert, gesponsert von «Klosterfrau Melissengeist, in der
Schweiz Melisana genannt», wie es hiess. Der Volks
mund nannte diese Sendung auch «Erbschleicherkon
zert», was nicht verwunderte, wenn man berücksich
tigte, mit welcher ffäuEgkeit die Glückwünsche an die
meist älteren Geburtstagkinder mit dem Lied «Näher
mein Gott zu Dir» untermalt wurden.
Gegen Abend begann für die Bauern wieder die tägli
che Arbeit, die Kühe mussten gefüttert und gemolken
und die Milch vor halb acht in die Sennerei gebracht
werden. Letzteres bereitete jenen, die das Nachmit
tagsprogramm ausgedehnt genossen hatten, hin und
wieder Schwierigkeiten.
Für die anderen hiess es, sich zum letzten Kirchgang
des Tages zu rüsten, dem Rosenkranz oder der Maian
dacht. In den ffäusem, wo das Fernsehen schon Ein
zug genommen hatte, dominierte dieses dann wohl
den Abend, nachdem schon am Nachmittag Bekannte
und Verwandte gekommen waren, um Tierfilme wie
Lassie, Fury oder Daktari zu sehen oder sich an Trick
filmen von Walt Disney zu erfreuen. In früheren Zei
ten fanden auch Theateraufführungen, Konzerte und
Unterhaltungen am Sonntagabend statt, nachdem ja
der Samstag noch gar nicht oder nur teilweise arbeits
frei war und man am Sonntag ausgeschlafen die Messe
besuchen sollte.
Benützte Literatur:
• Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein (Hrsg. His
torischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein].
• Stricker, Hans; Banzer, Toni; Hilbe, Herbert: Liechtensteiner
Namenbuch, Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liech
tenstein, Band 1.
• Martin, Graham: Das Bildungswesen des Fürstentums Liech
tenstein.
• Vogt, Emanuel: MIER Z BALZERS.
Die «Tausa» war ein auf dem Rücken getragenes grosses
Gefäss zum Transport von Flüssigkeiten, insbesondere Milch.
Sie wurde aber auch im Weinberg und auf der Baustelle zum
Transport von Pflaster verwendet.
Mit dem «Hääs» war die Oberbekleidung gemeint, mit dem
«Sunnteghääs» der Anzug und die «nobleren» Kleider von
Mädchen und Frauen.
Das Kauen des «Strassburger» genannten, in Rollen verkauften
Kautabaks war bei Männern verbreitet. Es mag wohl ein Zei
chen von Sparsamkeit sein, dass man den Kautabak, den man
zum Zeitpunkt des Kirchenbesuchs gerade im Mund kaute,
seitlich des Eingangs «zwischenlagerte».
«etschmert=jemand» stammt wie etschwo, etschwohii,
etschwie, etschwänn oder auch epper und öpper von «etwer».
Und «etschmert Frönds» war eine unbekannte Person, auch
wenn sie aus dem Nachbardorf Triesen stammte.
Katholische Jugendliche mussten bis zum 17. Lebensjahr
aufgrund einer Bestimmung im Schulgesetz die «Christen
lehre» als Fortsetzung des Religionsunterrichts besuchen. Die
Christenlehre wurde von einem Oltsgeistlichen geleitet und
an Burschen und Mädchen in getrennten Gruppen erteilt
Die «Knickerbocker» waren wadenlange Überfallhosen, die
unter dem Knie zusammengebunden waren. Sie wurden so
gross gekauft, dass sie weit hinunter reichten und später, wenn
der Träger der Hose wuchs, so gestreckt waren wie eine Reiter
hose.
Beim «Apäcka» wurden drei Scheiter an einer Wand pyra
midenförmig aufgestellt. Der «Sucher» musste seinen Fuss in
die Pyramide stellen und laut bis zu einer bestimmten Zahl
zählen, während sich die Mitspieler versteckten. Wenn er sich
bei der Suche davon entfernte, gab dies die Gelegenheit für
die anderen, schnell aus ihrem Versteck zu eilen, den Fuss zur
Pyramide zu halten und laut «apäckt» zu rufen.
Ein Fangspiel.
Platz bei der Kreuzung Pralawisch/Züghüsle, auf der gegen
überliegenden Strassenseite der «Post», wo die Männer der
Nachbarschaft am Abend und am Sonntag zusammen standen.
«Lappe» meint zwar «einfältiger Mensch, Dummkopf», ist aber
hier nicht so negativ gemeint, eher in dem Sinne, dass j a bei
einem solchen «Schwatz» nicht viel Gescheites herauskommt.
Platz beim «Bröggle» in Mäls, analog dem «Lappeplatz» in
Balzers. Die Mälsner benannten ihren etwas freundlicher als
die Balzner. Mit einem «Tupp» war mehr ein naiver als ein
dummer Mensch gemeint und in der Feststellung «Mein,
bischt du an Tupp» war auch Nachsicht enthalten. Beide
Begriffe wurden natürlich eher von Leuten verwendet, die an
diesen Platzen nicht anwesend waren.
Flurname beim St. Katharinabrunnen. Die nach einem öster
reichischen «Finanzer», der dort Dienst tat, benannte Wiese
diente über viele Jahre als Fussballplatz.
Die Zuschgen waren Schuppen mit Toren zur Durchfahrt für
Fuhrwerke. In Balzers standen drei bei den Gasthäusern.
Heinrich Suso Braun (1902-1977], Kapuziner, Theologe und
Radioprediger.
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