49
Alexa Schlegel-Meier
Erinnerungen an die Post
In einer sternenklaren Nacht, so die Notiz meines Va
ters im Familienbüchlein, kam ich auf der Post an der
Rietstrasse in Balzers zur Welt. Schon am ersten Tag
meines Lebens lernte ich den wohl ältesten und be
rühmtesten Balzner kennen, den Föhn. Doch nicht vom
Föhn möchte ich hier erzählen, sondern von der Post in
Balzers. Die alte Post an der Rietstrasse, wo ich die ers
ten neun Jahre meiner Kindheit verbrachte, steht nicht
mehr und die neue Post hat inzwischen auch ihre Türen
geschlossen. Geblieben sind viel schöne Erinnerungen
an die Post in Balzers.
Post Balzers, so lautete meine Adresse 30 Jahre lang.
Kein Strassenname, keine Hausnummer waren nötig,
meine Post kam immer an. Die Balzner Strassennamen
und Flausnummern und natürlich die Balzner wurden
mir dann später auf ganz andere Weise vertraut. Läutete
bei uns zu BJause das Telefon, hatten wir die Anweisung,
uns mit folgenden Worten zu melden, «Postbüro Balzers,
Meier». Das «Postbüro» gehörte für mich ganz selbstver
ständlich zu meinem Wohnhaus. Bei Papa im Büro zu
sein war normal und an der Welt der Erwachsenen teil
haben zu dürfen, immer sehr interessant. Auf der Treppe
vor dem Posteingang beobachtete ich oft das Kommen
und Gehen der Leute, die meistens Zeit hatten, mit mir
ein paar Worte zu wechseln. Diese Treppe verwandelte
meine Mutter an Fronleichnam in einen wunderschönen
Blumenaltar und die Prozession blieb auch vor der Post
stehen.
Ich musste mir keine Spielpost wünschen, ich hatte
eine richtige Post. Oft nach Schalterschluss wurde aus
Taufe von Alexa
Schlegel-Meier, mit
den Paten Artur
Meier (Mauren) und
Herta Frick-Hilti
(Rössle, Schaan),
der langjährigen
Balzner Hebamme
Regina Wolfnger,
sowie Alexas
Geschwistern
Caesarina, Eugen
und Vera Meier.
dem Büro meines Vaters mein Spielzimmer. Jetzt durfte
ich mich an seinen Schreibtisch setzen, an den Schal
ter stellen und Postmeister sein. Mit grossem Eifer habe
ich Briefe frankiert, gestempelt, eingeschrieben, bedient
und telefoniert. Nicht zaghaft, sondern voller Stolz
sagte ich dann die eingeübten Worte, «Postbüro Balzers,
Meier». Konnte ich doch sicher sein, dass am anderen
Ende niemand die strengen Worte «Kreispostdirektion
St. Gallen» erwidern würde.
Früh schon waren mir die grünen Einzahlungsscheine
und die Einschreibbriefe vertraut, die in eine Liste bzw.
ein Buch eingetragen werden mussten. Die Briefpost zu
sortieren bedeutete nicht nur die liechtensteinischen
Dörfer, sondern viele verschiedene Länder- und Städte
namen kennen zu lernen. Etwas ganz Besonderes waren
die Luftpostbriefe, denn die Empfänger dieser Post
wohnten sehr weit weg. Postgeheimnis hiess für mich,
dass es nur erlaubt war, die schönen Fotos auf den An
sichtskarten anzuschauen, aber auf keinen Fall das Ge-