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Hans Brunhart
Balzers - kein zweites Fläsch
Der Standort der neuen, am 23. November 1968 dem
Verkehr übergebenen Rheinbrücke zwischen Balzers
und Trübbach und die entsprechenden Zufahrtsstras
sen führten in Balzers zu erheblichen Diskussionen.
Nachdem man sich in langwierigen Verhandlungen
zwischen den Regierungen Liechtensteins und des
Kantons St. Gallen im Einverständnis mit den be
troffenen Gemeinden auf eine Lösung geeinigt hatte,
verlangten 111 Unterzeichner die Einberufung einer
Bürgerversammlung zwecks Beschlussfassung über ihr
«Initiativbegehren bezüglich Rheinbrücke und Stras-
senführung».
Die von Land und Gemeinde vorgeschlagene Variante
«Seidenbaum» sah neben der dann gebauten und heute
bestehenden Rheinbrücke mit Autobahnanschluss die
Realisierung einer Rheinbrücke für den Lokalverkehr
auf der Höhe des Schollbergs vor. Gleichzeitig wurde
mit dem Land eine für die Gemeinde günstige finan
zielle Abmachung betreffend die Umfahrungsstrasse
[Strasse «Gagoz»] getroffen, welche auch die damals
geplante Landesumfahrungsstrasse dem Rhein entlang
berücksichtigte. Nach dem Brand der alten Holzbrü
cke 1972 und dem Bau der Fussgängerbrücke am glei
chen Standort wurde das Projekt der zweiten Brücke
nicht mehr weiter verfolgt.
Das Initiativbegehren hatte folgenden Inhalt: «Um die
am Verkehr interessierten und davon abhängigen Balz-
ner Bürger nicht zu gefährden, sowie eine rasche und
billigste Lösung der vorgesehenen Strassenplanung
zu gewährleisten und den heute so wertvollen Boden
zu sparen, verlangen die Initianten, dass die geplan
te Strasse auf dem Trasse der bisherigen Landstrasse
durch die beiden Ortschaften Balzers und Mäls nach
Trübbach der Rheinstrasse entlang geführt wird und
sofort mit dem Bau einer neuen Rheinbrücke für un
beschränkten Lastenverkehr am Standort der heutigen
Rheinbrücke oder im Gebiet der Schifflände begon
nen wird. In diesem Sinne wird der Anschluss an die
Autostrasse im Seidenbaum abgelehnt.»
Das Initiativbegehren wurde durch eine engagierte
Aussendung der Gemeinde sowie durch ein Flugblatt
mit dem Titel «Balzers - kein zweites Fläsch» und eine
Gegendarstellung der Initianten öffentlich abgehan
delt. Einigkeit bestand darüber, dass Eile geboten war,
nachdem die Gewichtsbeschränkung beziehungsweise
teilweise Schliessung der Holzbrücke für den Schwer
verkehr zunehmend Probleme zur Folge hatte. Eine
früher vertretene Variante mit einem direkten An
schluss nach Sargans spielte in der Diskussion keine
Rolle mehr. Ein besonderes Problem bildete der Au
tobahnanschluss, der einer Variante am bisherigen
Standort mitten im Dorf Trübbach besonders entge
genstand. Es ging aber auch um den Verkehr durch
das Dorf: Während die Gemeinde argumentierte, be
reits 1963 hätte man an einem Sonntag stündlich 700
Fahrzeuge gezählt und die Situation sei unhaltbar und
gefährlich, schrieben die Initianten, es sei eine «Erfah
rungstatsache, dass blühende Dörfer immer an Stras-
senzügen gebaut» worden seien.
Die Bürgerversammlung am 21. April 1967 lehnte
das Initiativbegehren mit 89 Ja- Stimmen und 278
Nein-Stimmen deutlich ab. Offensichtlich konnten die
Balzner [die Meinung der Balznerinnen war ja damals
noch nicht gefragt] mit einer Zukunft als zweitem
Fläsch gut leben.
(Quellenangabe: Gemeindearchiv Balzers)