Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2018) (2018)

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den 29. August 1907 eine Besichtigung der geplanten 
Bahnlinie angesetzt. An dieser <kommissionellen Be 
gehung) nahmen unter Führung von Bundesrat Josef 
Zemp insgesamt 32 Personen teil, darunter SBB-Ge- 
neraldirektor Plazid Weissenbach, Vertreter der Eisen 
bahnkommissionen sowie der Kantone Graubünden 
und St. Gallen und natürlich die Konzessionsbewerber. 
Aus heutiger Sicht besonders brisant: Es brauchte die 
Intervention des österreichischen Gesandten in Bern, 
um zu erreichen, dass das Eisenbahndepartement für 
diesen wichtigen Augenschein nachträglich auch die 
Repräsentanten des Fürstentums Liechtenstein einlud. 
Die Fürstlich Liechtensteinische Regierung wurde ver 
treten durch: 
1. Karl von In der Maur, Chef der fürstlichen Regierung 
2. Ingenieur Gabriel tiiener, fürstlicher Landestechniker 
3. Dr. Albert Schädler, Obmann des Initiativkomitees 
für die Bahn Landesgrenze-Schaan und Vorsitzender 
des Liechtensteinischen Landesausschusses 
4. Realitätenbesitzer und Ingenieur Karl Schädler, 
Mitglied des Initiativkomitees. 
Hoher Besuch auch in Balzers 
Im Mittelpunkt dieser Begehung [zu Fuss und mit 
Kutschen] stand Bundesrat Zemp. Der Chef des Post- 
und Eisenbahndepartementes wollte sich vor Ort über 
die Konkurrenz-Situation SBB-RhB durch die Bun 
desbahn-Vertreter überzeugen lassen. 
Das Programm für die «Augenscheins-Reise der Eisen 
bahnkommission beider Räte betr. Landquart-Landes- 
grenze[-Schaan]» war klar strukturiert und auf zwei 
Tage im Spätsommer 1907 angesetzt: 
• «Abfahrt des Zuges in Zürich: Mittwoch, 28. August 
1907, um 5:13 Uhr [1] 
• Eintreffen in Ragaz [1937 in Bad Ragaz umbenannt]: 
8:16 Uhr. 
• Anschliessend begibt man sich in das Hotel <Quel- 
lenhoh. 
• Am Donnerstagmorgen Fahrt per Wagen von Ragaz 
nach Landquart, retour über Maienfeld nach Fläsch. 
10 Uhr ca. Ankunft in Fläsch, dort kleiner Imbiss. 
• Von Fläsch um das Ellhorn bis Balzers zu Fuss. Dann 
«per Wagen weiter über Vaduz nach Schaan und re 
tour nach Vaduz. Mittagessen in Vaduz und Schluss 
des Augenscheines». 
Den Nachbarn nicht als Luft behandeln 
Nach wie vor waren die Erwartungen und Hoffnungen 
gross im Fürstentum, die Enttäuschung über die Hal 
tung der Schweiz umso bedeutender. Das Liechten 
steiner Volksblatt) kommentierte bereits am 26. Januar 
1906, also noch vor der bundesrätlichen Kehrtwende: 
«Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat und die 
Nationalversammlung nicht den engen geschäftlichen 
Standpunkt der Bundesbahnen einnehmen, sondern 
sich im allgemeinen Verkehrsinteresse von höheren und 
moderneren Gesichtspunkten leiten lassen werden [...] 
Endlich müsste es offenbar als ein Akt der Unfreundlichkeit 
gegen das benachbarte kleine Liechtenstein aufgefasst 
werden, wenn uns durch eine ablehnende Entschliessung 
der Schweiz die noch einzig bestehende Möglichkeit, eine 
Eisenbahn zu bekommen, vereitelt würde». 
Der Kommentator schloss mit der Hoffnung, dass sich 
die Schweizer Politik weitherzig zeige «und das klei 
ne Land, welches als friedlicher Nachbar bisher stets die 
besten Beziehungen zur Schweiz unterhalten hat, nicht als 
Luft behandle». 
Der bundesrätliche Rückzug 
Kein halbes Jahr nach der positiven Beurteilung des 
Konzessionsgesuches erfolgte die offizielle Kehrtwen 
de in Bern. 
Es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Zur Wah 
rung ihrer berechtigten und ganz erheblichen Inter 
essen gebe es «kein anderes wirksameres Mittel, als die 
Verweigerung der Konzession für eine Linie Landquart- 
Schaan». 15 
In der überarbeiteten Botschaft des Bundesrates vom 
19. November 1907 an das Parlament hiess es nun: 
«Aus den sehr einlässlichen Erhellungen der General 
direktion der schweizerischen Bundesbahnen geht hervor, 
dass die projektierte Linie in erheblichem Masse auch 
dem Durchgangsverkehr zu dienen bestimmt wäre. Der 
infolge dieser Konkurrenz sich ergebende Einnahmenaus 
fall wird von der Generaldirektion auf das Jahr 1910 
berechnet und auf Fr. 460'000 angegeben [...] Wenn wir 
mit Botschaft vom 16. April 1907 die Erteilung der Kon 
zession beantragt haben, so geschah es hauptsächlich aus 
dem Grunde, weil wir dem Charakter der projektierten 
Linie Schaan-Landquart hauptsächlich lokalen Cha 
rakter beimassen und weil die Gemeinden Landquart, 
Jenins, Maienfeld, Ragaz und Fläsch ein Interesse an der 
Verwirklichung dieses Projektes hatten. Allein der diesen 
Gemeinden erwachsende Vorteil würde mehr als aufge-
	        

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