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«Die Verweigerung der [...] Konzession könnte daher nur
als ein Akt ganz besonderer Unfreundlichkeit gegenüber
dem kleinen Fürstentum, welches mit den schweizerischen
Nachbarn stets in bestem Einvernehmen stand, welchem
aber trotz alldem ein Aufschwung missgönnt wird, ange
sehen werden.» 6
Bundesrat Zemp unterstützte das Projekt
Nach wie vor hielten die Beamten und Ingenieure im
Eisenbahndepartement an einer SBB-konformen Hal
tung fest: «Der Zweck der Linie ist weniger dem Lokalver
kehr zu dienen, als der Rhätischen Bahn einen direkten
Anschlusspunkt an ausländische Linien zu verschaffen.» 7
Das Projekt wurde zur Chefsache. Man einigte sich
darauf, «diesen Streitpunkt dem Entscheide des Herrn
Departementvorstehers vorzulegen». 8 Interessanterwei
se entschied Bundesrat Josef Zemp auf <Nebenbahn>,
«da diese vorwiegend lokalen Bedürfnissen zu dienen
bestimmt sei.» Zemp überging damit die zuständigen
Chefbeamten im Eisenbahndepartement und liess sich
auch vom SBB-Verwaltungsrat nicht einbinden.
Wirtschaftsmotor für Liechtenstein
Mit der Botschaft an das Parlament vom 16. April 1907
empfahl der Bundesrat die Erteilung der Konzession,
und das Liechtensteiner Volksblatt) kommentierte am
31. Mai 1907 hoffnungsvoll:
«Wir Liechtensteiner begrüssen es, dass der Bundesrat
und die beiden Kantonsregierungen (SG und GR] nicht
den geschäftlichen Standpunkt der Bundesbahnen ein-
nahmen, sondern im Sinne einer richtigen Verkehrsrai-
son und Staatsraison ihre dem Frojekte zustimmenden
Beschlüsse fassten [...] Die Zustimmung der Bundesver
sammlung wird in der Hauptsache schweizerischen Inter
essen - der Kanton Graubünden, die rhätischen Bahnen
und der Kurort Ragaz gehören in diese Interessensphä
re - nützen, daneben aber in freundnachbarlicher Weise
dem kleinen Nachbarland Liechtenstein ermöglichen, aus
seiner Isolierung etwas herauszutreten und seinen Ver
kehr zu verbessern.»
Die Hoffnung keimte bereits 1881
Liechtenstein kämpfte bis anfangs des 20. Jahrhun
derts mit grossen ökonomischen Problemen. Politisch
seit 1806 ein souveräner Staat, wirtschaftlich seit 1852
durch einen Zollvertrag mit dem Kaiserreich Öster
reich-Ungarn verbunden, suchte es als kleines Agrar-
und Textilindustrieland die Infrastruktur und damit
die Wirtschaft zu fördern. Eine das ganze Fürstentum
durchziehende Schmalspurlinie hätte dem Land tat
sächlich jene bedeutenden Infrastrukturverbesserun
gen gebracht, für die es bereits Jahrzehnte zuvor ge
kämpft hatte.
So gelangte das «Eisenbahn-Comite Vaduz» am 26.
Juni 1881 mit einer Petition an den «Hohen Landtag»,
betreffend die Verlängerung der Eisenbahn von Schaan
über Balzers nach Sargans. Der Landesausschuss solle
«mit dem Vorarlberger Landtage zu geeigneter Zeit sich
ins Benehmen zu setzen, damit dieser beim österr. Han
delsministerium die bezüglichen Verhandlungen einleite
u. dass der Landesausschuss überhaupt zur Förderung
dieses Projektes in Aktion trete.» 9
Unterschrieben war der Vorstoss von den Herren G.
Arbenz, Dr. Albert Schädler, Xaver Bargetze, Anton
Real, Ingenieur Carl Schädler, Dr. Rudolf Schädler
und Job. A. Amann. Es sei, so glaubten damals diese
Pioniere, «nach unseren bisherigen Informationen eine
Behinderung von Seite der Schweiz und namentlich der
Vereinigten Schweizerbahnen nicht zu befürchten». 10
Wie dramatisch die ökonomische Situation Liechten
steins damals war, unterstreicht eine weitere Passage:
«Für unser Land würde die Erstellung dieser durch das
ganze Fürstenthum führenden Verkehrswege unzweifelhaft
von grossem Nutzen und in Anbetracht der hiesigen
sehr gedrückten Lage, der exorbitanten Besteuerung und
besonders auch der grossen Verdienstlosigkeit ein äusserst
wichtiges Mittel [sein], den gesunkenen Volkswohlstand
in gesunder und dauernder Weise zu heben.» 11
Das Bahnprojekt sei für das Land zur existentiellen
Lebensfrage geworden.
Trotz Fleiss und Sparsamkeit verarmt
Ebenfalls 1881 schilderte das Liechtensteiner Volks
blatt) die kritische ökonomische Situation im Fürs
tentum, dies im Zusammenhang mit dem in Wien be
schlossenen Bau einer Arlberg-Bahn:
«Der Bevölkerung unseres Landes mangelt es hauptsäch
lich an lohnender Beschäftigung in der Heimat, und wie
derholte Missernten haben schwere Notstände hervorge
rufen. Eine dauernde Verbesserung der wirtschaftlichen
Verhältnisse ist aber nur durch den Bau dieser Bahn zu
erhoffen [...] Der Bahnbau bringt uns Verdienst, indem
unsere Arbeitskräfte Verwendung finden. Die Bahn selbst
ist nach ihrer Inbetriebsetzung im Stande die einheimi-