Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2018) (2018)

16 
Unnachgiebige SBB 
Es blieb aber bei der Frontalopposition der SBB. Wenn 
es sich nur um eine Fortsetzung der Rhätischen Bahn 
handeln würde, könnten die Bundesbahnen darauf ver 
zichten, gegen das Projekt Stellung zu nehmen, hielt 
SBB-Generaldirektor Plazid Weissenbach in der Ver 
nehmlassungsantwort am 23. Juni 1905 fest. fJier aber 
handle es sich um eine internationale Finie. Gefährlich 
sei primär «die Erstellung einer direkten Verbindung mit 
dem Bodensee und weiter nach Süddeutschland, unter 
Umgehung der Bundesbahnen und der Schweiz». 4 Die 
Stellung der SBB gegenüber ausländischen Bahnen 
werde mit dieser Konkurrenzlinie erheblich erschwert. 
Die SBB ersuchten das Eisenbahndepartement zuhan 
den der Bundesversammlung, die Ablehnung dieses 
Konzessionsgesuchs zu beantragen. 
«Unbegreiflich, kleinlich, engherzig» 
In einem zwölfseitigen Brief zeigte sich das siebenköp 
fige Initiativkomitee erstaunt über die harsche SBB-Re- 
aktion: Es gehe darum, diese Konzessionsbewerbung 
«nicht nach kleinlichen, engherzigen Rücksichten» zu be 
urteilen, «sondern nach weit ausschauenden, das Ganze 
und längere Zeiträume umfassenden Gesichtspunkten. 
Wenn wir solche bei der Generaldirektion der SBB nicht 
finden, so suchen wir sie beim hohen Bundesrat und in 
der Bundesversammlung». 5 
Diesem siebenköpfigen Komitee gehörten folgende 
Personen an: Theophil Sprecher von Bernegg [Präsi 
dent bis 1907], Kantonsrat Fridolin Simon, Mitbesit 
zer des Grand-fJotel Quellenhof in Bad Ragaz, Land- 
ammann Paul Tanner aus Maienfeld, Regierungsrat 
Theophil Marugg aus Fläsch, Ingenieur Elans von Gu 
gelberg aus Maienfeld [Präsident ab 1907], Gemein 
deammann Bernhard Rist aus Ragaz sowie Gemeinde 
rat Josef Bonifaz Riederer, ebenfalls aus Ragaz. 
Das Komitee betonte nochmals eindringlich, beim 
vorliegenden Projekt handle es sich um eine schmal 
spurige Fokalbahn. Einzig die SBB-Strecke Sargans- 
Buchs könne als internationale Verkehrslinie gelten: 
«Hier verkehren die Schnellzüge Paris-Wien». Der Ein 
fluss des internationalen Reiseverkehrs auf die geplan 
te Schmalspurbahn wurde von den Initianten als der 
art marginal betrachtet, dass sie diesen nicht einmal in 
ihre Finanzberechnungen eingeplant hatten. 
Bundesrat schützte SBB-Interessen 
Die Replik der SBB auf diese Eingabe folgte prompt 
und bissig. Man halte an den Erklärungen vom 23. Juni 
1905 fest. Wie üblich, wurden die beteiligten Kreise 
[Bundesrat, Konzessionsbewerber, Kantone] jeweils 
gegenseitig mit Kopien informiert. Weil es noch keine 
anderen Vervielfältigungsmöglichkeiten gab, mussten 
diese Briefe jeweils mit Schreibmaschine und vor der 
Jahrhundertwende noch immer mit Feder und Tinte 
peinlich genau vervielfacht werden. 
Besonders pikant: Im Eisenbahndepartement kürzte, 
respektive schönte man die SBB-Replik, indem her 
abwürdigende Passagen gegenüber Österreich und der 
Rhätischen Bahn in den Kopien weggelassen wurden. 
Liechtensteins starke Argumente 
In einem 16-seitigen Memorandum, überschrieben 
mit «Pro memoria», sprach sich die Liechtensteini 
sche Regierung am 16. Januar 1906 mit Nachdruck 
für den Bau der Schmalspurbahn von Landquart nach 
Schaan aus. Die «schon längst lebhaften Bestrebungen, 
bessere Verkehrsverbindungen zu erhalten», würden bei 
der Umsetzung des Projektes «in befriedigender Weise 
verwirklicht». Politisch und taktisch geschickt, wurden 
aber nicht die Vorteile für das Fürstentum, sondern j ene 
für die Schweiz hervorgehoben. Kritik fehlte trotzdem 
nicht. So habe die SBB-Generaldirektion «offenbar 
ausser Betracht gelassen, dass der Fremdenverkehr in 
der Schweiz gerade wegen der vielen Konkurrenzlinien 
eine so bedeutende Ausdehnung erfahren hat.» Und 
weiter: «Durch den Ausbau der Rhätischen Bahn nach 
Davos und nach dem Engadin erhielt die Rheintallinie 
der Bundesbahnen einen sehr erheblichen und ihr 
vorteilhaften Zufluss. Und nun, wo es sich darum 
handelt, der Rhätischen Bahn durch Ermöglichung des 
Anschlusses an die österreichischen Staatsbahnen in 
Schaan die Gelegenheit zu einer vorteilhaften Entwicklung 
zu eröffnen, sind es gerade die Bundesbahnen, welche 
einen solchen Vorteil zu verhindern suchen». 
Auch die St. Gaffer Exekutive kam nicht ohne Kritik 
davon: Lakonisch stellte die fürstliche Regierung fest: 
«Die Motive der Beschlussfassung des Regierungsrates in 
St. Gallen stehen auf sehr schwachen Füssen». In Liech 
tenstein war man überzeugt, dass die projektierte Bahn 
schweizerische Interessen nicht benachteilige, sondern 
geradezu fördere. Das Liechtensteiner Memorandum 
endete mit deutlichen Worten:
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.