Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2018) (2018)

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Heinz Schild 
Als die SBB Liechtenstein aufs Abstellgleis stellten 
Gross waren die Hoffnungen im Fürstentum Liech 
tenstein: Das 1905 vorgestellte Projekt einer Schmal 
spurlinie, als Verlängerung der Rhätischen Bahn von 
Landquart über Maienfeld-Bad Ragaz-Balzers-Vaduz 
nach Schaan, bis an die Grenze Vorarlbergs, sollte dem 
Land in schwieriger Zeit endlich den lange erhofften 
wirtschaftlichen Aufschwung bringen und zum Rück 
grat des Liechtensteiner Verkehrsnetzes werden. In 
Bern hatte der Bundesrat bereits seine Zustimmung 
gegeben, doch die Intervention der Schweizerischen 
Bundesbahnen machte alles zunichte und wirkte wie 
ein Schlag ins Gesicht. Diplomatischer ausgedrückt: 
Es war ein unfreundlicher Akt der Schweiz gegenüber 
dem kleinen Nachbarstaat. 
Der Vorgang ist in der Schweizer Verkehrsgeschichte 
einmalig. Da wird dem Parlament die bundesrätliche 
Vorlage zum Bau einer neuen, attraktiven Schmalspur 
linie präsentiert. Doch bevor diese von National- und 
Ständerat verabschiedet werden kann, interveniert die 
SBB-Generaldirektion an höchster Stelle. Sie forderte 
nicht nur eine Neubeurteilung der Situation, sondern 
bekämpft das Projekt mit allen Mitteln - erfolgreich. 
Die Bundesbahnen, so die Befürchtung, würden durch 
den Bau der Schmalspurlinie auf der seit 1858 be 
stehenden Normalspurstrecke Chur-Sargans-Buchs- 
Rheineck massive Betriebsverluste einfahren. Zudem 
gelte es als sicher, dass die Österreichischen Staats 
bahnen die Situation «gründlich ausnützen würden», 
indem die Touristenströme aus Österreich und 
Deutschland in Feldkirch, in Umgehung der SBB, über 
diese neue Linie der Rhätischen Bahn direkt ins Bünd 
nerland gelenkt würden. 
Kleinliches Hickhack 
Die Initianten mit Theophil Sprecher von Bernegg an 
der Spitze, Verwaltungsratspräsident der Rhätischen 
Bahn, Oberstkorpskommandant und nachmaliger Ge 
neralstabschef der Schweizer Armee, bissen auf Gra 
nit. Nur ein paar Wochen nachdem das Konzessions 
gesuch von 1905 Bern erreicht hatte, stiegen die ersten 
St. Galler Lokalpolitiker auf die Barrikaden. Ständerat 
Johannes Geel und Gemeindevertreter aus Sargans, 
Meis und Vilters ersuchten den Bundesrat «energisch 
gegen das Projekt Stellung zu nehmen». 1 Umgekehrt 
zeigten vor allem die Hoteliers aus Bad Ragaz [SG] 
grosses Interesse am Projekt. Auch die Bündner Regie 
rung befürwortete die «Verlängerung der Rhätischen 
Bahn nach Liechtenstein und eventuell bis Feldkirch» 
umgehend. 
St. Galler Regierung für Ablehnung 
Auch die St. Galler Kantonsregierung fürchtete die en- 
net-rheinische Konkurrenz. Die projektierte Bahnlinie 
werde «ohne Zweifel einen bedeutenden Lokalverkehr auf 
dem rechten Rheinufer ins Lehen rufen [...] infolge der 
leichteren Möglichkeit zur Bildung besserer und öfterer 
Zugsverbindungen». 2 Allerdings: Genau diese «leichteren 
Möglichkeiten und besseren Zugsverbindungen» dien 
ten, zusammen mit der idealen Erschliessung ganzer 
Talschaften, beim Bund und bei den Kantonen bis 
anhin immer als Hauptargumente für eine Konzes- 
sionierung der vorliegenden Gesuche. Um das Pro 
jekt nicht zu gefährden, änderten die Initianten ihre 
Pläne. Sie streckten die Linie und verzichteten auf den 
Einbezug des auf St. Galler Kantonsgebiet liegenden 
Kur- und Badeortes Bad Ragaz. Urplötzlich kehrte der 
Wind. Diese höchst unerwartete Entwicklung schreck 
te St. Gallen plötzlich auf. Prompt stimmte nun der 
Regierungsrat dem Bauvorhaben hastig zu und knüpf 
te die Konzession zugleich an die Bedingung, «dass alle 
Züge, ohne Ausnahme, welche Personen befördern, nach 
Ragaz geführt werden müssen [.. J.» 3
	        

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