Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2017) (2017)

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theil von den vorgenannten beeden partheyen über diesel 
ben marken waideten oder von waid und gemeindschafts 
wegen etwas einander thätten oder thun wollten, da soll 
und mag als dann es der andere theil demselben wohl ver 
wehren und darum pfändten auf alle weis, wie es die ge- 
schwome kundschaften gesagt haben. 
Ein klarer Sieg vor Gericht für die Balzner und eine 
ebenso klare Niederlage für die Fläscher und Maien 
felder also? Was die Weidestreitigkeiten an der St. Lu 
zisteig betrifft, ist diese Frage zweifellos zu bejahen, 
auch wenn im Grunde genommen wohl lediglich eine 
bereits früher erzielte Vereinbarung schriftlich festge 
halten wurde, was allerdings für beide Parteien für die 
Zukunft wichtig sein mochte. 
Warum aber trotzdem so viel Aufwand für die schrift 
liche Fixierung einer wohl im Konsens unter den 
Konfliktparteien schon längst erzielten Regelung auf 
teurem Pergament? Ging es 1389 wirklich nur um 
die Festlegung von Weidegrenzen oder standen etwa 
vielleicht noch ganz andere Interessen zur Diskussion? 
Solche einem lediglich lokale Bedeutung zuzuschrei 
benden Nutzungskonflikt übergeordnete fierrschafts- 
interessen etwa? 
Ohne auf die «politischen» Verwerfungen an dieser 
Stelle eingehen zu können, die die erst vor drei Jah 
ren am 9. Juli 1386 geschlagene Schlacht bei Sempach 
auf das regionale Adelsgefüge bewirkt hatten - diese 
wären eine eigene gründliche Untersuchung wert - 
darf davon ausgegangen werden, dass in solch unruhi 
gen Zeiten die Pflege guter Beziehungen und die Stär 
kung verwandtschaftlicher Solidaritäten eine wichtige 
Rolle spielten. 
Mit fleinrich V. von Werdenberg-Sargans zu Vaduz 
und Donat von Toggenburg standen sich zwar zwei 
flerrschaftsvertreter vor Gericht gegenüber, die ihre 
Interessen zweifelsohne zu wahren wussten. Sie 
waren indes wohl keineswegs bereit, wegen eines für 
sie kaum von grundsätzlicher Bedeutung gewesenen 
Weidekonflikts ihrer Untertanen diesen Streit eskalie 
ren zu lassen. Solches hätte unabsehbare Folgen nach 
sich ziehen können. Trotzdem galt es in einem über 
weite Strecken aufgrund der topographischen Verhält 
nisse noch kaum festgelegten Grenzbereich Präsenz 
zu markieren und zumindest die gegenseitigen Inte 
ressen zur Sprache zu bringen. Ein Nutzungskonflikt 
zwischen benachbarten, an diesem Grenzbereich sie 
delnden und wirtschaftenden Dorfgenossen konnte 
folglich durchaus zum Anlass genommen worden sein, 
den im Fhnblick auf eine endgültige Festlegung der 
Flerrschaftsgrenzen von beiden Seiten akzeptierbaren 
Verhandlungsspielraum auszuloten. 
Man darf jedoch nicht so weit gehen, in dem 1389 
vor das Schiedsgericht gezogenen Streitfall um Wei 
degründe lediglich einen von den Flerrschaftsträgem 
vorgeschobenen Grund zur Regelung eigener Grenz 
interessen zu sehen. Ebenso ist es kaum plausibel, 
dass ein solch grosser Aufwand betrieben wurde, um 
einen für die involvierten Dorfgenossen von Balzers 
und Fläsch/Maienfeld zwar durchaus existenziellen, 
für ihre Flerrschaftsvertreter letztlich aber wohl nur 
als einen von untergeordneter Bedeutung eingestuften 
Nutzungskonflikt einer gerichtlichen Lösung zuzufüh 
ren. Das vom Gerichtsvorsitzenden Johann von Wer 
denberg-Sargans und den vier zugesetzten Schiedsrich 
tern schliesslich gesiegelte Schiedsgerichtsurteil vom 
22. August 1389, wann wir alle vier einhelliglich diesen 
ausspruch gethan haben, war überraschend eindeutig. 
Das lässt dennoch Platz für Spekulationen, deren hy 
pothetische Natur wir keineswegs verhehlen wollen. 
Es lohnt sich aber, sich damit auseinanderzusetzen und 
eigene Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. 
Vorläufiges Fazit 
Ein endgültiges Fazit über die Bedeutung der hier be 
handelten Urkunde kann und soll im Fhnblick auf die 
künftig noch zu erörternden Schriftzeugnisse, die sich 
auf unsere Urkunde von 1389 berufen, nicht gezogen 
werden. Die Schlussfolgerungen können einstwei 
len nur von vorläufiger Natur sein. Anhand weiterer 
Quellen mögen sie bestätigt oder relativiert werden, 
oder sie werden sogar verworfen werden müssen. Es 
wird also spannend sein, was für Erkenntnisse die von 
1389 aus gesehene Zukunft im Fhnblick auf die Balz 
ner Grenzkonflikte für uns noch bringen wird. 
Als Fakt festzuhalten bleibt vorerst: Die von einem 
Schiedsgericht am 22. August 1389 ausgestellte Ur 
kunde regelt umstrittene Weiderechte an der St. Lu 
zisteig zwischen den beiden Konfliktparteien Balzers 
und Fläsch/Maienfeld im Sinne einer durch 16 Balz 
ner Dorfgenossen eidlich beschworenen und vom 
Gericht einstimmig anerkannten Grenzziehung. Wo 
genau diese Grenzlinie im Gelände heute zu verorten 
ist, kann aufgrund der aufgeführten und heute teilwei 
se nicht mehr identifizierbaren Örtlichkeiten nicht mit
	        

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