Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2017) (2017)

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Anfang vermutlich das Unterfangen eines Untergangs 
stand: eines zwar unmittelbar erfolgreichen, aber weil 
lediglich auf mündliche Vereinbarungen sich stüt 
zenden, letztlich daher nicht ausreichenden Versuchs 
eines zu lösenden Nutzungskonflikts. 
Das Schiedsgericht am 22. August 1389 
Ich graf Hanns von Wertenberg herr zu Sargans thue 
kundt jedermänniglich öfentlich mit diesem brief allen 
denen, die ihn ansehen oder hören lesen, so der Einlei 
tungssatz unserer Urkunde, in welcher der schon seit 
längerer Zeit andauernde Konflikt um Weidegründe 
zwischen Balzers und Fläsch / Maienfeld endlich ent 
schieden werden sollte. Die bislang unternommenen 
Bemühungen der Dorfgenossen - und solche haben 
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit statt 
gefunden, ob in Form eines Untergangs muss jedoch 
letztlich dahingestellt bleiben -, ihren Streit in gegen 
seitigem Einvernehmen beizulegen, waren gescheitert. 
Es blieb folglich nur noch der Gang zum ordentlichen 
Gericht übrig. Oder, und diese Frage muss hier gestellt 
werden, hatten die involvierten Parteien gar keine an 
dere Wahl, als ihren Weidekonflikt aufgrund besonde 
rer Umstände von einem ordentlichen Schiedsgericht 
entscheiden zu lassen? Bei den Kontrahenten handelte 
es sich ja nicht um benachbarte Dorfgenossenschaften 
derselben fierrschaft, sondern zwischen Balzers und 
Fläsch /Maienfeld verlief eine fierrschaftsgrenze. Mit 
der Regelung um die umstrittenen Weidegrenzen ging 
folglich eine Festlegung der Dorfgrenze einher, die 
zugleich eine fierrschaftsgrenze mitbestimmte. Auf 
diesem fiintergrund ist es nur allzu verständlich, dass 
die fierrschaftsvertreter in dieser Angelegenheit ein 
gewichtiges Wort mitreden wollten. 
Wenden wir uns also zunächst den Personen zu, die 
vor diesem Schiedsgericht auftreten. Als Gerichtsvor 
sitzender hält Graf Johann von Werdenberg-Sargans 
zu Beginn fest, dass es sich um einen Streit um Wei 
degründe an der St. Fuzisteig handelte, dämmen mich 
beede theil und insonderheit mein vetter graf Heinrich 
von Wertenberg und Sargans von wegen seinen leuten 
zu Balzers und mein oheim graf Donat von Toggenburg 
von wegen seinen leuten zu Flesch geflissentlich erbetten 
haben, dass ich dämm ein (gemein] mann worden bin. 
Es waren somit keineswegs lediglich die Dorfgenos 
sen von Balzers und Fläsch/Maienfeld, die in ihrem 
Streit an das Gericht gelangten, es waren insonder 
heit die beiden fierrschaftsvertreter, die diesen Kon 
flikt von einem Schiedsgericht beurteilt haben woll 
ten. Ihnen genügte offenbar eine möglicherweise 
von Untergängern erzielte, mündlich vereinbarte 
Bereinigung des zwischen ihren Untertanen herr 
schenden Weidekonflikts keineswegs. Die Angelegen 
heit war von übergeordneter Natur und verlangte eine 
von einem ordentlichen Gericht gefällte Entschei 
dung, auf dessen schriftlich festgehaltenes Urteil man 
sich bei Bedarf stützen konnte. 
Auch wenn der fiauptgegenstand des Konflikts in der 
umstrittenen Weidenutzung lag, so standen doch die 
Interessen verschiedener Dorfgenossenschaften auf 
dem Spiel. Folglich scheint es uns richtig zu sein, nicht 
nur von einem Konflikt um Nutzungsrechte, sondern 
von einem Streit um Dorfgrenzen zu sprechen. Dass 
diesen festzulegenden Dorfgrenzen darüber hinaus 
der Charakter einer Fandes- bzw. fierrschaftsgrenze 
zukam, machte die Sache nicht einfacher und war vor 
allem für den prozessualen Weg der Konfliktlösung 
von Bedeutung. Es blieb nur der Weg, den Streit einem 
neutralen Schiedsrichter zur Entscheidung vorzule 
gen, oder aber die Reichsgewalt einzuschalten und die 
ganze Angelegenheit einem kaiserlichen Kommissar 
zur Beurteilung vorzulegen. 
Die Parteienvertreter graf Heinrich von Wertenberg und 
Sargans von wegen seinen leuten zu Balzers und graf 
Donat von Toggenburg von wegen seinen leuten zu Flesch 
entschieden sich für ein Schiedsgericht und ein Blick 
auf die Verwandtschaftsverhältnisse lassen vermuten, 
dass sie wohl ihre guten Gründe dafür hatten. Der Vor 
sitzende des angerufenen Gerichts, Johann I. von Wer 
denberg-Sargans [urk. belegt 1342-1399], und fiein- 
rich V. von Werdenberg-Sargans zu Vaduz [urk. belegt 
1355 -11397] waren über ihre Väter, die Brüder Rudolf 
IV. von Werdenberg-Sargans [urk. belegt 1328-1361] 
und fiartmann III. von Werdenberg-Sargans zu Vaduz 
[urk. belegt 1317 -1353] - wie es in der Urkunde heisst 
- vetter[n), also Cousins väterlicherseits. Im gleichen 
Verwandtschaftsverhältnis jedoch mütterlicherseits 
stand unser Gerichtsvorsitzende aber auch mit Donat 
von Toggenburg [urk. belegt 1353-t 1400]. Seine Mut 
ter Ursula von Vaz [urk. belegt 1337-1367] war eine 
Schwester der Mutter Donats, Kunigunde von Vaz [urk. 
Seite 71: Blatt 1 v der überlieferten Urkundenabschrift.
	        

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