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Nehmen wir als Beispiel die Saar auf der Schweizer
Seite des Rheins. Sie wurde in den 1960er-Jahren er
baut, zu den damals noch verbreiteten Grundsätzen
des Wasserbaus. Heute würde dasselbe Projekt ganz
anders konzipiert. Vor allem aber brachte es die da
mals noch aktive Kiesentnahme mit sich, dass die Ein
leitung der Saar in den Rhein schon wenige Jahre nach
der Fertigstellung ein Sanierungsfall wurde. Als Folge
der Flussbetteintiefung hängt die Mündung heute in
der Fuft und weist eingeschränkte Beziehungen zum
Rhein auf. Diese Entwicklung war zum Zeitpunkt der
Planung bereits im Gange. Rückblickend erkennen wir,
dass damals ein Blick in die Zukunft womöglich zu an
deren Fösungsansätzen geführt hätte. Der heute beste
hende Sanierungsbedarf liesse sich im Rahmen eines
Aufweitungsprojekts elegant lösen.
Einer Strategie der differenzierten
Ansprüche folgen
Dieses Werk erfordert nicht nur die Bereitschaft, in
künftigen Kategorien von Rahmenbedingungen zu
denken und sich auf die Dynamik einzulassen. Es ver
langt uns auch ab, eine Strategie der differenzierten
Ansprüche anzuwenden. Diese Strategie ist im Hoch
wasserschutz verbreitet. Sie bedeutet, dass Bereiche
mit zahlreichen Bauten und Infrastrukturanlagen
einen höheren Schutz gemessen als etwa Eandwirt-
schaftsflächen. Dieses Prinzip kann gedanklich auch
auf die Neuorganisation des rheinnahen Raums über
tragen werden. Das Materialdepot eines Kieswerks,
der Mündungsbereich der Saar oder ein Schiessstand
brauchen nicht denselben Schutz wie lebenswichtige
Infrastrukturen. Für einzelne Anlagen würde es genü
gen, wenn sie vor dem 50-jährigen Hochwasser sicher
wären. Es liegt auf der Hand, dass sich mit einer sol
chen gedanklichen Annäherung für die Umgestaltung
des Rheins ganz andere räumliche Rahmenbedin
gungen ergeben, als wenn für alle Anlagen derselbe
Sicherheitsstandard eingefordert wird. Ein solcher
Zugang lässt nämlich zu, dass einzelne Anlagen in
nerhalb der Dämme liegen. Damit wiederum erge
ben sich neue Möglichkeiten, die Position sowie den
Verlauf der neuen Rheindämme festzulegen und die
vorhandenen Räume optimal zu nutzen.
Die Strategie der differenzierten Ansprüche hat auch in
Bezug auf die Ökologie und die Ökomorphologie des
Gewässers ihre Berechtigung. Wenn wir uns am Bild
eines dynamischen, aus einem reichverzweigten Netz
von Teilgewässern bestehenden Flusses orientieren, sind
die Aufwertungsmöglichkeiten beschränkt. Mit der Fi
xierung auf dieses eine Bild übersehen wir die Chancen,
die sich bei einer differenzierten Strategie einstellen
würden. Auch die gezielte landschaftliche Raumgestal
tung oder der Fokus auf ökologische Massnahmen, die
nicht unmittelbar mit dem Fluss in Beziehung stehen,
sind wertvolle Aufwertungsabsichten. Daher sollten die
verschiedenen Aufwertungsstrategien nicht gegenein
ander ausgespielt, sondern sinnvoll kombiniert werden.
Auf diese Weise erweitern wir die Freiheitsgrade beim
langfristigen Umbau der Febensader Rhein.
Quellen
• Bohl, Erik; Jehle, Roland; Kindle, Theo; Kühnis, Rainer; Peter,
Armin: Die Fische und Krebse des Fürstentums Fiechtenstein,
BZG-Berichte, Band 38, Schaan 2014.
• Haidvogl, Gertrud; Kindle, Theo: Die Fliessgewässer Fiech-
tensteins im 19. und 20. Jahrhundert, Ursprüngliche Febens-
räume, technische Eingriffe, ökologische Folgen, Schriftenreihe
Amt für Umweltschutz, Fürstentum Fiechtenstein, Band 1.
• IRKA 2013, Fischökologisches Monitoring Alpenrhein 2013.
• IRKA/IRR, 2005, Entwicklungskonzept Alpenrhein.
• IRKA 2004, Ökologische Aspekte der Gewässerentwicklung,
Alpenrheinzuflüsse und Bäche im Rheintal.
• Regierung des Fürstentums Fiechtenstein, Amt für Umwelt,
2014, 5: Nationaler Bericht zur Umsetzung des Übereinkom
mens über die Biologische Vielfalt im Fürstentum Fiechtenstein
• Bundesamt für Umwelt BAFU: Umwelt, Natürliche Ressour
cen in der Schweiz, 3/2011: Raum den Gewässern.