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Landschaft
Die auffälligsten Wirkungen der Aufweitungen im
Raum Balzers-Trübbach sind landschaftlicher Natur.
Wenn wir von der Strassen- oder der Fussgängerbrücke
aus in die Flussachse blicken, wird uns in erster Linie
die Grosszügigkeit des aufgeweiteten Flussraums auf
fallen. Die Kiesbänke und der benetzte Bereich wer
den gegenüber dem aktuellen Zustand eine deutlich
grössere Breite einnehmen. Die Dämme öffnen sich in
der Blickrichtung gegen aussen und widersetzen sich
der Wirkung der Zentralperspektive. Die einengende
Wirkung der dominanten Linien - hauptsächlich der
hohe Blockwurf und die Dammkrone - wird gemil
dert. Zudem werden diese Linien, die heute bis zur
nächsten Flusskrümmung sichtbar sind, durch die
Baumkronen verschiedener Waldfragmente unterbro
chen. Insgesamt betonen die Aufweitungen die Brei
tenwirkung, während im heutigen Zustand die Länge
dominant ist.
Betrachten wir die Aufweitung vom gegenüberliegen
den Ufer aus, füllt der gestaltete Bereich unser ganzes
Gesichtsfeld aus. Aus dieser Perspektive wird uns auf
fallen, dass der Blockwurf und der Damm ganz hinter
dem Wald verschwinden. Wald und Fluss treten phy
sisch miteinander in Kontakt und bilden optisch wie
der eine Einheit. Die Uferlinie ist naturnah ausgebil
det - einmal als flacher Gleithang, wo das Wasser auf
die andere Uferseite wechselt. Wo die Kiesbänke der
Erosion durch das aufprallende Wasser ausgesetzt sind,
bildet sich eine markante Kante aus. Solche Merkmale
sind selbst aus grösserer Distanz sichtbar. Sie verwei
sen auf das dynamische Zusammenspiel des Wassers
mit den im Fluss transportierten Substraten. Vom Fluss
über die bewaldeten Kiesbänke bis zur Gebirgskulisse
im Hintergrund entsteht ein harmonisches Gesamt
bild, in dem die Dammkrone und der Blockwurf nicht
als dominante Trennlinien in Erscheinung treten [vgl.
Abb. 3 und 4].
Nördlich der Strassenbrücke werden auch die neue
Führung der Saar und die Neugestaltung ihrer Mün
dung wesentlich zum Bild der naturnahen Flussland
schaft beitragen. Mit der Verlegung des westseitigen
Rheindamms wird die Saar in diesem Abschnitt zu
einem Bestandteil des Flussraums. Damit braucht es
statt der drei nur noch zwei Dämme. Der gewonne
ne Raum kann für eine möglichst flache Ausgestaltung
der erforderlichen rheinseitigen Abgrenzung einge
setzt werden. Die Mündung der Saar wird nach Nor
den verlegt, so dass das Gewässer ohne Abstürze in
den Rhein fliessen kann. In einem kurzen Mündungs
bereich fächert sich die Saar in mehrere Teilgewässer
auf.
Wenn wir von den Dämmen in die aufgeweiteten
Bereiche hinabsteigen, tauchen wir in einen klei
nen Waldstreifen ein. Wir kommen zunächst an den
Vorgrundsteinen vorbei. Sie treten neu kaum mehr
in Erscheinung, weil sie teilweise mit Kies über
schüttet sind. Entlang des Dammfusses reihen sich
einige Gewässer auf. Sie sind gewollte Überbleibsel
der Materialentnahme, die für das Einbringen des
neuen Blockwurfs nötig war. Ein Trampelpfad führt
zu einer Holzbrücke über ein kleines Fliessgewässer.
Es ist zwar künstlich entstanden, erinnert uns aber
mit seinen Eigenschaften und mit seinem glasklaren
Wasser an die natürlichen Giessen. Es ist tatsächlich
auch vom Grundwasser des nahen Rheins gespeist.
Weiter unten mündet es in ein ebenfalls bewusst ge
schaffenes Hinterwasser. Es ist bereits mehrere Meter
breit und öffnet sich trichterförmig gegen den Rhein.
Die Farbe des Wassers zeigt uns an, dass dieses ru
hige Hinterwasser mit dem Hauptfluss in Beziehung
steht. Das kleine Waldstück wird immer lückiger. Die
Weiden nehmen überhand, und einzelne in den Ge
büschen verhangene Schwemmholznester weisen da
rauf hin, dass der Rhein an dieser Stelle gelegentlich
auch auf breiterer Front fliesst. Nach wenigen Metern
erreichen wir das Ufer des Flusses, wo man sich hin
setzen kann. Wir werden feststellen, dass sich das Ver
weilen hier anders anfühlt als früher auf den nackten
Kiesbänken. Der natürliche Schatten der Bäume und
Gehölze macht den Unterschied aus. Wenn wir dann
aufblicken zum anderen Ufer, wird uns die Errungen
schaft der Aufweitung bewusst: Wir blicken frontal
an den Blockwurf, der fast die Hälfte der Dammhöhe
ausmacht. Gegenüber diesem geballten Abwehrbau
werk nimmt sich die darüber verlaufende geometri
sche Linie der Dammkrone direkt elegant aus.
Die Aufweitung bereichert die Landschaft mit Merk
malen der Flussdynamik und mit flussraumtypischen
Elementen wie kleinen Hinterwassern und Tümpeln.
Sie trägt aber vor allem zu einem neuen Raumgefühl
bei, das sich mit dem Versetzen der Dämme einstellt.
Und dank der Aufweitung treten Elemente wieder in
Beziehung, die seit dem Bau der Hochwuhre vonein
ander getrennt waren.