57
Dies ist auch der wichtigste Grund, weshalb unsere
Gesellschaften links und rechts des Rheins endlich offen
über die Planung der Aufweitungen sprechen sollten.
Wie kann man sich eine Aufweitung vorstellen?
In den für eine Aufweitung in Frage kommenden Ab
schnitten werden der Damm und der Vorgrund ausser
halb des heutigen Hochwuhrs neu erstellt, wobei die
vorhandenen Resträume so gut wie möglich genutzt
werden. Auf der Schweizer Seite bildet die Autobahn
die Aussengrenze des neuen Flussraums. Auf liech
tensteinischer Seite werden der Binnendamm oder
die bergseitigen Ränder bestehender Waldflächen als
Grenzlinien wirken. Unter Berücksichtigung vorhan
dener Infrastrukturen und einer landschaftlich sinnvol
len Linienführung wäre im Raum Balzers-Trübbach
eine Ausweitung denkbar, die oberhalb der Rheinbrü
cke das rechte Ufer umfasst und unterhalb der Rhein
brücke auf die linke Seite ausgreift [vgl. Abb. 1].
Aus Gründen der Hochwassersicherheit müssen die
neuen Dämme mehrheitlich fertiggestellt sein, bevor
die bestehenden Wuhre abgebaut werden können.
Dies legt es nahe, die künftigen Dämme aus Aushub
material zu erstellen, das in den nächsten Jahren in der
Region anfallen wird.
Vorgrundsteine sowie Innendammpflästerung kön
nen und müssen - allein aufgrund der ungeheuren
Menge - wiederverwertet werden. Die Pflästerung
der neuen Innendämme erfolgt von unten nach oben,
wogegen der Abtrag der bestehenden Pflästerung von
der Dammkrone her nach unten vorgenommen wird.
Wird diese Umlagerung schichtweise durchgeführt,
kann die Hochwassersicherheit ausreichend gewähr
leistet werden.
Damit der Fluss wieder ein natürliches Ufer erhält, soll
im Bereich der Neubaustrecke der heutige Blockwurf
entfernt und am Fuss des neuen Damms eingebaut
werden. Die Steine werden in eine Rinne versenkt,
wobei die höchstgelegenen Vorgrundsteine des heu
tigen Damms die Basis des neuen Blockwurfs bilden.
Ist dieser fertig aufgebaut, werden die Vorgrundsteine
mit einem Teil des Aushubs eingedeckt. Wo genügend
Raum vorhanden ist, können die Rinnen teilweise auch
als lineare Gewässer belassen werden [vgl. Abb. 2]. So
bald diese Umlagerungen abgeschlossen sind, kann der
alte Dammabschnitt abgebrochen werden. Der ge
wonnene Raum zwischen dem neuen Dammfuss und
dem Fliessgewässer wird der Dynamik und Gestal
tungskraft des Flusses überlassen. Das Gelände wird
nur in Teilen abgetragen, um zusätzliche Lebensräume
zu schaffen [vgl. Abb. 2].
Im Raum Balzers-Trübbach sind auch die Führung
sowie die Einleitung der Saar in den Rhein Teil der
Neuorganisation des Raums. Künftig könnte die Saar
den neuen Rheindamm bereits nördlich der Auto
bahnbrücke durchstechen und dann dem Damm
folgend auf das Mündungsniveau geführt werden.
Im südlichen Bereich - wo die Sohle der Saar noch
hoch liegt - ist dem Hauptdamm ein kleinerer, flacher
Damm vorgelagert, der das Gewässer vom Rhein ab
trennt. Mit zunehmender Distanz zur Brücke liegt die
Krone dieses Damms immer tiefer, so dass auch der
Dammbereich schmaler und flacher wird.
Südlich der Rheinbrücke besteht auf der Balzner Seite
ausreichend Raum für eine grosszügige Aufweitung.
Neben der Verbreiterung der Flusssohle ist hier vor
allem die Ausbildung eines Auwalds denkbar, von dem
Teile tatsächlich wieder periodisch überschwemmt
werden. Hier ist aber auch die Schaffung von kleinen
Gerinnen möglich, die im Wald verlaufen. Sie wer
den in den oberen Abschnitten vom Grundwasser des
Rheins gespeist und öffnen sich in einem grösseren,
trichterförmigen Hinterwasser zum Rhein hin.
Welche Wirkungen könnte eine Aufweitung im
Raum Balzers-Trübbach entfalten?
Die Neugestaltung des Raums wirkt sich in verschie
denen Bereichen aus. In der Folge werden vor allem
die Wirkungen auf die Gewässermorphologie, die
Landschaft und die Ökologie angesprochen.
Gewässermorphologie
Die Gewässermorphologie bezeichnet die Gestalt des
Gewässers, die sich aus dem Wechselspiel des fliessen
den Wassers und den vom Fluss transportierten Mate
rialen ergibt. Kies- und Sandbänke, Inseln und Lauf
verlagerungen des Wassers bilden eine dynamische
Abfolge, die durch Hochwasser zudem noch periodisch
verändert wird. Wird die regelmässige Geometrie des
heutigen Kanals durch eine Aufweitung aufgebrochen,
schlägt sich dies grundsätzlich in einer vielfältigeren
Ökomorphologie nieder. Die Modelle der Wasserbauer