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Massnahmen getroffen werden, welche geeignet sind, eine Wei
terverbreitung auf andere Hausgenossen und auf andere Perso
nen überhaupt zu verhindern. Die wichtigste dieser Massnahmen
ist Isolierung der Kranken von den übrigen Familien- und Hausge
nossen. [...]
4. ) Da die grösste Ansteckungsgefahr den Entleerungen der Kran
ken anhaftet, so müssen dieselben vor ihrer Beseitigung in den
Abort oder durch Vergrabung fern von Wohnstätten und Brunnen
desinfiziert werden. [...]
5. ) Unreinlich gehaltene Aborte leisten der Verbreitung des Ty
phus den meisten Vorschub. Es ist daher zu sorgen, dass die
Aborte in reinlichem Zustand erhalten werden. Aborte und Senk
gruben in Häusern, wo Typhus herrscht, sind täglich mit reichli
chen Mengen von Kalkmilch zu desinfizieren. [...]
6. ) Leib- und Bettwäsche der Kranken ist nach Gebrauch in reich
lich 5 %iger Carbolsäure, 2 %iger Lysollösung oder Kalkmilch
einzuweichen und erst nach 24 ständigem Liegen in diesen Flüs
sigkeiten der Reinigung zuzuführen. Das Wohnzimmer der Kran
ken ist nach Krankheitsablauf frisch zu tünchen, der Fussboden
mit heisser Lauge aufzuwaschen. Bettgestell und Möbel sind mit
5 %iger Carboisäurelösung abzuwaschen. Das Bettstroh ist zu
verbrennen, Matratzen mit 5 %iger Carboisäurelösung scharf
abzureiben und zu lüften. [...]
7. ) Die Brunnen in Häusern, wo Typhus herrscht, sind, falls ein
Verdacht der Verunreinigung besteht, zu sperren [...].
8. ) Schulkinder, die mit den Kranken in gemeinsamer Wohnung
wohnen, sind vom Schulbesuche fernzuhalten.
Typhus aus heutiger medizinischer Sicht
Typhus wird sogenannt fäkal-oral übertragen. Das heisst die An
steckung erfolgt über Nahrungsmittel und Wasser, welche mit
Stuhl und Urin von Erkrankten (oder Trägern!) verunreinigt sind.
Dies geschieht bei mangelhafter Hygiene (sowohl persönlich im
Sinn von Händewaschen, als auch was die Infrastruktur betrifft,
also Wasserleitungen etc.). Es gibt keine direkte Übertragung
durch Berühren eines Erkrankten oder über die Luft. Einige weni
ge Fälle von sexueller Übertragung sind in der Literatur bekannt.
Das A und 0, um eine Übertragung zu verhindern, ist die Hy
giene: Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen. Ganz
simpel: Man muss nur darauf achten, dass nichts, was mit Ex
krementen von Erkrankten in Kontakt kam (Hände, Wäsche,
Nahrungsmittel), mit dem Mund in Berührung kommt, sei es
direkt (durch die eigenen Hände) oder indirekt, wenn man Le
bensmittel mit schmutzigen Händen anfasst und diese anderen
zum Essen gibt. Bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln ist auf
pingelige Sauberkeit zu achten.
Zum Risiko der Krankenpflegerinnen und -pfleger: Mit entspre
chenden Hygienemassnahmen (genau: Händewaschen!) kann
das Risiko stark vermindert werden.
Ein Sonderfall sind die sogenannten Träger. Dies sind Personen,
die nach durchgemachter Krankheit die Typhus-Bakterien über
Jahre hinweg ausscheiden und somit andere anstecken können.
Es betrifft etwa zwei bis fünf Prozent der Erkrankten. Proble
matisch ist dies bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. Träger
von Typhus-Bakterien sind von der Lebensmittelverarbeitung
und der Krankenpflege auszuschliessen, solange sie Bakterien
ausscheiden.
Zur Isolierung: Heute wird Quarantäne bei Typhus nicht mehr
angewendet. Quarantäne würde bedeuten, dass noch nicht er
krankte Kontaktpersonen isoliert werden. Natürlich ist es sinn
voll, dass Kranke zu Hause bleiben, bis sie gesund sind. Wenn
sie die Hygieneregeln (Händewaschen!) beachten, können Kon
taktpersonen hingegen problemlos in die Schule oder zur Arbeit
gehen.
Für diese Hinweise bedanke ich mich herzlich bei Dr. med. Marina
Jamnicki Abegg vom Amt für Gesundheit.
Anmerkungen
1 Sohn von Engelwirt Andreas Callistus Brunhart. Vom Mai
1878 bis zu seinem Tod studierte er Bildhauerei an der
Akademie der Bildenden Künste in München. Zu seinem Tod
erschienen im Liechtensteiner Volksblatt vom 18. Juni 1880,
S. 2, zwei Berichte, von denen der eine hier abgedruckt ist.
2 LI LA RE 1887/1249: Bericht Schlegel vom 5. August 1887.
3 LI LA RE 1889/1299: Bericht Landesphysikus Dr. Wilhelm
Schlegel an Regierung am 8. Juli 1889.
4 Nachruf im Liechtensteiner Volksblatt vom 2. Dezember
1892, S. 1.
5 LI LA RE 1896/1032: Bericht Wilhelm Schlegel an Regierung
12. September 1896.
6 LILARE 1896/1191: Bericht Wilhelm Schlegel an Regierung
30. Oktober 1896.
7 LI LA RE 1904/1449 ad 1377 (ohne Datum): Dr. Albert
Schädler machte der Regierung den Vorschlag, die Merkblät
ter des deutschen Reichsgesundheitsamtes zur Bekämpfung
von Typhus, Diphterie und Tuberkulose an die Geistlichen,
Oltsvorsteher und Lehrer in Liechtenstein zu verteilen.
Landesverweser Karl von In der Maur schickte darauf Albert
Schädler die österreichischen Vorschriften und ersuchte ihn,
diese auf liechtensteinische Verhältnisse zu adaptieren, was
dieser mit dem hier edierten Dokument machte. Ungeachtet
dessen wurden 1905 die reichsdeutschen Merkblätter gemäss
ursprünglichem Vorschlag von Albert Schädler verschickt.
8 Abgeschlagenheit: Müdigkeit, Erschöpfung.