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Herausforderung als das Erstellen der Wasserleitun
gen. Grössere Abwassermengen und das Regenwasser
wurden in offenen Gräben, die teilweise mit Steinplat
ten bedeckt waren, abgeführt, 36 kleinere Mengen liess
man auch versickern. Uber den Bau der Abwassergrä
ben liegen nur spärliche Informationen vor, da diese
Aufgabe offenbar nicht planmässig erfolgte - entspre
chend schlecht war die Ausführung. Aus vereinzelten
Hinweisen kann geschlossen werden, dass zwar um die
Jahrhundertwende ein Längenprofil vorhanden war,
in dem das Gefälle der Abwassergräben eingezeichnet
war. Die Gräben, die oft den Strassen entlang ausge
hoben wurden, waren jedoch mangelhaft ausgeführt
und befanden sich meist in einem schlechten Zustand.
Immer wieder wurde die Gemeindevorstehung von
der Regierung gemahnt, dafür zu sorgen, dass die Grä
ben gereinigt wurden. Um die Jahrhundertwende war
nur ein kleiner Teil der Gräben bereits gepflastert; Ze
ment- bzw. Betonrohre wurden nur auf kleinen Ab
schnitten im Ortskern verwendet.
Hinweise auf konkrete Massnahmen bei der Abwasser
entsorgung habe ich erst ab 1910 gefunden. Gemäss
Emanuel Vogt befasste sich der Gemeinderat 1913
erstmals mit dem Abwasserproblem und beschloss den
Bau einer «Wasserableitungsdohle und Röhrenlegung für
das Abwasser im Dorf». 37 1919 wurde eine Abwasser
leitung im Winkel in Mäls so umgelegt, dass das Land
50 Prozent, die Gemeinde und die Privaten je 25 Pro
zent der Kosten übernehmen mussten. 1922 bewilligte
der Landtag einen Landesbeitrag von 470 Lranken für
die Sanierung der Abwasserleitung auf der Praiawisch.
Das Land musste bezahlen, weil der Graben entlang
einer Landstrasse erstellt wurde. Im Landtagsprotokoll
wird kurz erwähnt, dass Zementrohre eingebaut wur
den, mit denen das Abwasser in einen Entwässerungs
graben abgeleitet wurde. 38
Licht auf ein anderes Unterhaltsproblem wirft ein
Schreiben von Landesgeometer Josef Ospelt an die
Gemeinde Balzers, der anmahnte, dass die Hausbesit
zer die Brücken, die über die Gräben zu ihren Häu
sern führten, besser instand halten müssten. 39 Einige
wenige technische Angaben über die Ausführung der
Gräben sind in einer Anweisung von Regierungschef
Gustav Schädler an die Gemeindevorstehung zu En
den. Darin heisst es:
«Um das Profil des Grabens festzustellen ist eine
gleichmässig durchlaufende Sohlbreite von 50-60cm
anzunehmen. Der Fuss der beidseitigen Böschungen ist
mittels eines 50 cm hohen Böschungspflasters zu sichern,
30 cm stark auf Kiesunterlage von 15-20 cm Stärke.» 40
In den folgenden Jahrzehnten wurden schrittweise
Verbesserungen in der Abwasserbehandlung erzielt,
der Weg war jedoch noch weit. 1974 wurde die Klär
anlage im Neugrüt in Betrieb genommen, die im Be
reich Abwasserentsorgung eine entscheidende Wende
marke bildete.
Typhus noch nicht eliminiert, aber
Fortschritte erzielt
Am 21. Mai 1901 und am 2. Juni 1901 machte Vor
steher Elias Vogt bei der Regierung die Anzeige, dass
in Mäls wieder zwei Typhus-Lälle aufgetreten seien. 41
Landesverweser Karl von In der Maur ersuchte darauf
Dr. Saxer in Trübbach um «Aufschluss über die Ursache
dieser Erkrankungen und über die sich aus diesem An
lasse etwa als nothwendig darstellenden sanitätspolizeili
chen Vorkehrungen.» 42
Dr. Saxer verfasste darauf einen achtseitigen Be
richt: 43 Zunächst führte er in einem allgemeinen Teil
aus, was die Medizin über Typhus damals wusste. In
einem zweiten Teil ging er dann speziell auf die Si
tuation in Balzers und Mäls ein, wo er sich aufgrund
seiner 25-jährigen Tätigkeit als praktischer Arzt gut
auszukennen glaubte. Der «Unterleibs-Typhus» (Ty
phus abdominalis] oder das «Nervenfieber» sei eine
akute Infektionskrankheit, die in Balzers auch «Ner
venkrankheit» genannt wurde. Die Begriffe «Nerven
fieber» oder Nervenkrankheit« erklärten sich aus den
Krankheitssymptomen: In der zweiten Woche stellten
sich bei den Kranken Lieber und ein Zustand ein, in
dem sie oft delirierten. Als Ursachen für das endemi
sche Auftreten von Typhus in Balzers und Mäls nannte
er folgende Missstände:
1. Mangelnde Abortverhältnisse: Ein grosser Teil der
Häuser besitze höchst primitive Abortanlagen. Die
Jauchegruben seien nicht richtig erstellt, die Llüssig-
keit könne austreten und in den Untergrund sickern
und diesen infizieren:
«Ja es giebt Gruben (ich habe selbst solche gesehen],
welche aus einem in die Erde gegrabenen Loche bestehen,
welches mit Streue ausgefüllt wird zur Aufnahme der
Faecalien. In einem solchen Hause habe ich seiner Zeit
den Keller inspizirt und die Kartoffeln in einer ekeln,
gelb-braunen Faecalien-Sauce angetroffen. Dass damals