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Lisa Fischer
«So braucht es... Männer, die über Menschenkenntnis, Geschick,
Ruhe und vor allem über einen praktischen, gesunden Verstand
verfügen» 1 - Vermittleramt und Vermittler in Balzers
Die Mitwirkung von Laien hat in der mitteleuropäischen
Rechtspflege eine lange Tradition, wobei wir heute drei
Hauptformen kennen: das Schwurgericht, das Schöf
fengericht und den Friedensrichter [Vermittler]. Der
Vermittler soll versuchen, zwischen unterschiedlichen
Ansichten und Interessen eine Einigung herzustellen,
hat dabei aber keine oder nur geringe Kompetenz zur
Rechtsprechung. 2 In Liechtenstein wurde ein solches
Amt im Gesetz über die Vermittlerämter [VAG] vom
12. Dezember 1915 eingeführt. Diesem Gesetz zufolge
mussten vor dem Gang zum Gericht alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten zum Versuch einer Vermittlung
und alle Ehrenbeleidigungssachen zu einer Sühnever
handlung vor das Vermittleramt gebracht werden, wie
das Liechtensteiner Volksblatt vom 17. März 1916
schreibt:
«Wer also eine streitige Geldforderung betreiben, ein
streitiges Gehrecht behaupten, einen nicht anerkannten
Schadenersatzanspruch geltend machen oder sonst eine
der vielen Rechtsstreitigkeiten gerichtlich durchführen
will, hat sich an den Vermittler zu wenden. Oder will
sich jemand vor Amt gegen eine Verleumdung, gegen
Veröffentlichung ehrenrühriger Tatsachen aus dem Pri
vat- oder Familienleben oder Schmähungen in der Presse
oder dergleichen wehren, so hat er sich zunächst eben
falls an das Vermittleramt um einen Sühneversuch zu
wenden.» 3
Per 1. Juli 2015 wurde das Gesetz über die Vermitt
lerämter nach knapp einem Jahrhundert aufgehoben.
Im Folgenden wird die Entstehung des Gesetzes er
läutert, die Aufgaben eines Vermittlers mit Beispielen
erklärt und die Gründe für die Abschaffung dargelegt.
Abgerundet wird der Aufsatz durch ein Interview mit
Remo Vogt, der das Amt des Balzner Vermittlers von
2004 bis 2015 innehatte.
Entstehung des Gesetzes über die Vermitt
lerämter (VAG)
Die Tradition der Vermittler und damit das Bestre
ben mit Hilfe einer dritten Instanz einvernehmliche
Lösungen für Streitparteien zu finden, reicht weit
zurück. Schriftlich festgehalten wurde dies in Liech
tenstein bereits in der Amtsinstruktion von 1719.
Diese sah vor, dass «bürgerliche Streitigkeiten» zwi
schen ihren Gemeindsleuten von örtlichen Amtsträ
gern geschlichtet und entschieden wurden. Auch
die 1810 erlassene «Gerichtsinstruktion» im ersten
Gemeindegesetz des Landes übertrug einen Teil
der Gerichtspflege lokalen Amtsträgern. In den Ge
meindegesetzen von 1842 und 1864 hingegen waren
Schlichtungs- und Entscheidungskompetenzen der
lokalen Amtsträger nicht mehr enthalten. 4 Im März
1884 wurde im Landtag schliesslich ein Antrag zur
Errichtung von Vermittlerämtern gestellt. Als Grün
de wurden die Entlastung der Gerichtsverwaltung
und «grosse Ersparnis an Zeit u. Geld für die von der
Gerichtsstätte entfernteren Bewohner» angeführt. 5
Heute, in Zeiten von Autos und gut ausgebautem