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den Bürgern den Bürgerboden nicht wegnehmen, wenn
[er, Kindle] in der Landwirtschaft tätig sein wolle, müsste
[er] eben knechten.» 70
Dieser Fall der vorenthaltenen Nutzungsrechte für Jo
hann Kindle in Balzers zeigt exemplarisch, wie auch zu
Beginn des 20. Jahrhunderts eine Gemeinde versuchte,
einen ehemaligen Hintersassen von den vollen Bürger
rechten auszuschliessen. Der damalige Gemeindevor
steher Emil Wolfinger, der selbst 1914-15 den Aus
schluss Kindles von den Nutzungsrechten befürwortete,
hatte bei diesem Vorgehen wohl die klare Mehrheit der
Balzner Bürger hinter sich. Emil Wolfinger war übrigens
ein Sohn von Franz Josef Wolfinger, der sich 1864 im
Landtag gegen die Einbürgerung von Hintersassen aus
gesprochen hatte.
Anmerkungen
1 Protokoll der Landtagssitzung vom 29. Februar 1864, abge
druckt in: Liechtensteinische Landeszeitung, Ausgabe Nr. 8,
9. April 1864, zweite Beilage.
2 Liechtensteinisches Landesgesetzblatt (LGBL] 1864/Nr. 4:
Gemeindegesetz vom 24. Mai 1864.
3 Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors, ge
halten am 26. Januar 2015 im Bildungshaus Gutenberg in
Balzers.
4 Biografische Angaben bei Oliver Stahl: Wolfinger, Franz
Josef Callistus. In: Historisches Lexikon des Fürstentums
Liechtenstein (im Folgenden: HLFL]. Vaduz, Zürich 2013,
Bd. 2, S. 1074.
5 Gemeindearchiv Schaan (GAS], A 9b/l2: Verleihung des
Bürgerrechts an Lehrer Sebastian Dünser, 19. März 1833.
6 Ebenda.
7 Vgl. Liechtensteinisches Landesarchiv (im Folgenden: LI LA],
RC 52/8: Anstellung von Sebastian Dünser als Beamter,
Empfehlungsschreiben des Oberamts Vaduz an Fürst Alois II.
in Wien, 1836.
8 Zitiert nach Karin Schamberger-Rogl: «Landts Brauch, oder
Erbrecht», in der «Vaduzischen Grafschaft üblichen». Ein Do
kument aus dem Jahr 1667 als Grundlage für landschaftliche
Rechtsprechung. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für
das Fürstentum Liechtenstein (im Folgenden: JBL], Bd. 101.
Vaduz 2002, S. 1-128, hier S. 113.
9 Vgl. Franz Näscher: Beiträge zur Kirchengeschichte Liech
tensteins. 3 Bde. Vaduz 2009, hier Bd. 1, S. 91. (Kurzbeleg:
Näscher, Beiträge zur Kirchengeschichte 2009]
10 Ebenda, Bd. 2, S. 54.
11 Gemäss eigenem Ansuchen wurde Mayer 1893 aus der
liechtensteinischen Staatsbürgerschaft entlassen. Er war 1892
Ehrenbürger von Domat/Ems geworden. Näscher, Beiträge
zur Kirchengeschichte 2009, Bd. 2, S. 299-300; siehe auch:
LI LA RE 1868/936 und LI LA RA 1869/131.
12 Erst die Schaffung des Erzbistums Vaduz löste Liechtenstein
1997 aus dem Verband des Bistums Chur.
13 LI LA RC 35/1: Korrespondenz mit dem Bezirksamt Werden
berg betreffend Heimatlose, 1834. Schreiben von Land
vogt Peter Pokorny an Bezirksammann Schlegel in Sevelen,
20. Januar 1834.
14 LI LA RC 35/1: Korrespondenz mit dem Bezirksamt
Werdenberg betreffend Heimatlose, 1834. Antwort von
Bezirksammann Schlegel an Landvogt Pokorny in Vaduz,
19. Februar 1834.
15 Thomas Dominik Meier, Rolf Wolfensberger: «Eine Heimat
und doch keine». Heimatlose und Nicht-Sesshafte in der
Schweiz (16.-19. Jahrhundert]. Zürich 1998, S. 33. (Kurz
beleg: Meier/Wolfensberger, Heimatlose 1998]
16 Siehe das Beispiel von Josef Anton Hilti aus Schaan, dar
gestellt in Klaus Biedermann: «Aus JJherzeugung, dass er der
Gemeinde von grossem Nutzen seyn werde». Einbürgerungen
in Liechtenstein im Spannungsfeld von Staat und Gemeinden
1809-1918. Vaduz, Zürich 2012, S. 83-84. (Kurzbeleg:
Biedermann, Einbürgerungen 2012]
17 Wolfgang Scheffknecht: «Arme Weiber». In: Alois Nieder-
stätter, Wolfgang Scheffknecht (Hrsg.]: Hexe oder Hausfrau.
Das Bild der Frau in der Geschichte Vorarlbergs. Sigmaringen
dorf 1991, S. 77-109, hier S. 90. (Kurzbeleg: Scheffknecht,
Arme Weiber 1991]
18 Clo Meyer: «Unkraut der Landstrasse». Industriegesellschaft
und Nichtsesshaftigkeit. Am Beispiel der Wandersippen
und der schweizerischen Politik an den Bündner Jenischen.
Disentis 1988, S. 89-90.
19 Ebenda, S. 42.
20 Fürstliche Verordnung vom 14. Oktober 1804 betreffend
die Einführung des politischen Ehekonsenses, https://
login.gmg.biz/earchivmanagement/projektdaten/earchiv/
media/1804_10_14_Einfuehrung_politischer_Ehekonsens.pdf,
eingesehen am 26. Januar 2015.
21 Biedermann, Einbürgerungen 2012, Kapitel 7.3.2: Die
Rom-Ehe als Folge staatlicher Eheverbote.
22 LI LA J 3/S 1854/26: Untersuchung des Josef Bauer und der
Kreszentia Knobel wegen Übertretung gegen die öffentliche
Sittlichkeit und unbefugter Verehelichung im Ausland, 1854.
Befragung von Kreszentia Knobel vor dem Regierungsamt in
Vaduz, 26. Oktober 1854.
23 LI LA RC 1/27: Rückschiebung der Familie Knobel; Notiz des
Oberamts Vaduz, 14. März 1827.
24 LI LA RC 1/27: Schreiben des Verhörrichteramts Chur an das
Oberamt in Vaduz, 22. März 1827.
25 Siehe Kapitel: Das Gemeindegesetz von 1842 gewährt ein
Heimatrecht, S. 13-14.
26 LI LA J 3/S 1854/26: Untersuchung des Josef Bauer und der
Kreszentia Knobel wegen JJhertretung gegen die öffentli
che Sittlichkeit und unbefugter Verehelichung im Ausland,
1854. Beratschlagungsprotokoll vom 27. Oktober 1854 des
Regierungsamts in Vaduz.
27 Ebenda.
2 8 Scheffknecht, Arme Weiber 1991, S. 101.