Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2016) (2016)

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Graubünden, von wo aus sie eingereist war. Gehringer 
war indes aus dem Kanton Schwyz gebürtig, seine Frau 
aus dem solothurnischen St. Pantaleon. 51 
Zuweisung von heimatlosen Menschen an eine 
Gemeinde 
Der junge Schweizerische Bundesstaat erliess im Jahr 
1850 ein Gesetz, welches den Status der Heimatlosig 
keit abschaffte. Nicht-sesshafte Händler und Handwer 
ker durften nur noch «mit Ausweisschriften» unterwegs 
sein, berufslos Herumziehende waren mit «Verhaft oder 
Zwangsarbeit» zu bestrafen. 52 Geschätzt wird, dass bis 
1872 rund 25’000 bis 30’000 bisher heimatlose Perso 
nen einem Kanton und einer Gemeinde als Bürgerinnen 
und Bürger zugewiesen wurden. 53 
14 Jahre nach Verabschiedung des Heimatlosengesetzes 
in der Schweiz erliess Liechtenstein im Gemeindegesetz 
von 1864 analoge Bestimmungen. Auch in Liechten 
stein wurden Personen, deren Heimatrecht nicht ein 
deutig ermittelt werden konnte, nun einer Gemeinde 
zugewiesen. 54 Das Gesetz sah zudem vor, den Hinter- 
sassen-Status abzuschaffen. Die ehemaligen Heimatlo 
sen und Hintersassen erhielten aber nicht automatisch 
die Nutzungsrechte in ihrer neuen Bürgergemeinde. 
Diese Rechte wurde diesen Personen erst zuteil, wenn 
sie die von der Gemeinde geforderten Einkaufstaxen 
bezahlt hatten. 55 
Beengte Wohnverhältnisse in Balzers 
Über Einbürgerungen in einer Gemeinde entschied die 
Gemeindeversammlung. Gemeindebürger, die einen 
eigenen Haushalt führten und in der Praxis auch Haus 
besitzer waren, hatten das Stimmrecht. In der Folge 
waren lediglich die Haushaltsvorstände stimmberech 
tigt. 56 Balzers hatte im Jahr 1841 genau 998 Einwoh 
nerinnen und Einwohner, die in 130 Wohnhäusern 
lebten. Es waren durchschnittlich 7,68 Personen pro 
Wohnhaus. Im Vergleich zu den anderen Gemeinden 
des Landes hatte Balzers damals die höchste Personen 
zahl pro Haus und damit anteilmässig die niedrigste 
Zahl an politisch Wahlberechtigten. 57 
Die Wohnverhältnisse in Balzers waren eng. Bereits 1836 
hatte die Gemeindevorstehung den Fürsten um Erlaub 
nis zum Bau neuer Häuser angesucht. Das Oberamt un 
terstützte dieses Anliegen in einem Brief an den Fürsten: 
«Es kommen im Grunde keine neuen Ansiedler - Frem 
de oder Nichtbürger - nach Balzers. Die Bauwerber sind 
sämtlich Gemeindebürger, die mit ihren recht zahlrei 
chen Familien in den Häusern keinen Platz mehr haben, 
und sich zu theilen wünschen.» 58 Die IJberbesetzung der 
Häuser sei auch eine Folge der Bestimmung, gemäss wel 
cher nur Hausbesitzer heiraten dürften. Eltern, die nur 
ihr eigenes Haus besitzen, müssten dieses formell an ihr 
Kind abtreten, das heiraten wolle. Doch da infolge des 
geltenden Hausbauverbots nicht gebaut werden dürfe, 
müssten die Eltern das Wohnrecht im Haus behalten. 
Aus Platzgründen bliebe ihnen aber nur der Stall als 
Wohnung. Infolge dieser beengten Wohnsituation hätte 
es - so das Oberamt in seinem Brief an den Fürsten - 
schon Streitereien und Prozesse gegeben. 59 
Erst mit Aufhebung des Hausbauverbots in Liechten 
stein in den frühen 1840er-Jahren kam es zur lange er 
sehnten Dorferweiterung in Balzers: Zwischen 1841 und 
1852 stieg die Zahl der Wohnhäuser in Balzers von 130 
auf 188 und somit auch die Zahl der politisch Berech 
tigten. 60 Dieser markante Zuwachs zeigt, dass ein aufge 
stautes Platzproblem endlich gelöst werden konnte. Die 
lange Zeit beengten Wohnverhältnisse in Balzers und der 
grosse Eigenbedarf an zusätzlichem Wohnraum erklären 
auch, weshalb Balzers eine besonders restriktive Haltung 
bei der Zuwanderung und möglichen Neuaufnahme von 
Gemeindebürgern einnahm. De facto gab es - von den 
genannten wenigen Theologen und Priestern sowie von 
Brauteinkäufen abgesehen - im 19. Jahrhundert keine 
Einbürgerungen in Balzers. 
Auf der Basis des neuen Gemeindegesetzes von 1842 leg 
ten die liechtensteinischen Gemeinden 1843 neue Ein 
bürgerungstaxen fest. Diese Beträge wurden festgelegt 
aufgrund des Gegenwerts des jeweiligen Gemeindenut 
zens in den einzelnen Gemeinden. Dabei zeigte es sich, 
dass die Oberländer Gemeinden Balzers, Schaan und 
Triesen die höchsten Einbürgerungsgelder verlangten: 
Ein Ausländer, der Balzner Bürger werden wollte, musste 
2’030 Gulden bezahlen; die entsprechenden Taxen für 
Schaan und Triesen beliefen sich auf 930 beziehungswei 
se 650 Gulden. Deutlich tiefer lagen die Brauteinkaufs 
taxen. Sie betrugen in Balzers zwischen 80 und 120 
Gulden, lagen in den anderen Gemeinden aber zum Teil 
deutlich tiefer. 61 Unterschiedliche Brauteinkaufstaxen in 
derselben Gemeinde sind damit begründet, dass für eine 
Frau aus einer anderen liechtensteinischen Gemeinde 
weniger zu bezahlen war als für eine Ausländerin.
	        

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