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Rezension
Arthur Brunhart, Max Leuener, Roland Marxer:
«Sankt Luzisteig. Geschichte und Gegenwart»
Die jüngste Publikation in der Schriftenreihe der Ge
sellschaft Schweiz-Liechtenstein ist einer Grenzregion
zwischen der Schweiz und Liechtenstein gewidmet,
die seit Jahrhunderten von grosser geopolitischer und
strategischer Bedeutung und zusätzlich von ausneh
mender landschaftlicher Schönheit geprägt ist. Es
geht um die St. Luzisteig und die umhegende Region,
insbesondere um die Gemeinden Balzers und Fläsch
sowie die Stadt Maienfeld. Drei Experten beleuchten die
Ereignisse rund um diesen in jeder Hinsicht attraktiven
Landstrich aus historischer, militärgeschichtlicher
und völkerrechtlicher Perspektive. Arthur Brunhart,
Historiker und Vorsteher der Gemeinde Balzers, Max
Leuener, Stadtpräsident von Maienfeld, und Roland
Marxer, ehemaliger Leiter des liechtensteinischen
Amts für Auswärtige Angelegenheiten, haben sich
dieser Aufgabe in fesselnden und fundierten Artikeln
angenommen.
Arthur Brunhart erkundet in einem historisch-heimat
kundlichen Spaziergang rund um den Fläscherberg Be
gebenheiten zwischen den Menschen, Ländern, Städten
und Gemeinden diesseits und jenseits der St. Luzisteig,
die weit zurück liegen. Wir erfahren, dass sich die Ge
schichte des Passübergangs zurückverfolgen lässt bis in
die Jungsteinzeit, dass schon im Jahr 375 nach Chris
tus der Pass als bedeutende Verbindung zwischen Mai
land und Bregenz erwähnt wird und dass über die Alp
Lida in den Kriegsjahren um 1917 Schmugglerwege
von Liechtenstein in die Schweiz führten. Im nächsten
Abschnitt wird die Geschichte der Gemeinde Balzers
Umrissen und es wird auch an Balzner Persönlichkeiten
erinnert, so an den Wirt zur Post, Johann Ulrich Steger,
der seinen Gästen anno 1789 damit imponierte, dass
er «sehr fertig Latein» sprach. Es geht dann weiter mit
der Herrschaftsbildung und dem weichenstellenden
Verkauf der Herrschaft Maienfeld an die Drei Bünde
im Jahr 1509; es folgt die spannende Schilderung der
«Bündner Wirren» und der politischen Grenzziehun
gen zwischen Liechtenstein und Graubünden im 17.,
18. und 19. Jahrhundert mit einer Reminiszenz an
den sagenhaften «Starken Jörg», der den Grenzstein
unter Einsatz seines Lebens zwischen Balzers und der
St. Luzisteig abstellte. Wissenswertes lesen wir über das
Fuhrwesen und die Verkehrsverbindungen der letzten
Jahrhunderte und auch über nicht realisierte Pläne, so
zum Beispiel, dass es im frühen 20. Jahrhundert ein
Projekt der Rhätischen Bahn gegeben hat, zwischen
Landquart und Schaan eine Bahnlinie zu errichten, die
dem Rhein entlang um das Ellhorn durch Liechtenstein
bis zum Anschluss an die österreichische Arlbergbahn
in Schaan geführt hätte! War das Projekt zu visionär?
Möchte man heute mit leisem Bedauern fragen ... Das
hat Maienfeld, das 1346 erstmals als Stadt bezeichnet
wird und seit 1858 Anschluss an das Eisenbahnnetz
hat, anders gemacht! Der Ausflug in die Vergangen
heit unter kundiger Führung des Historikers endet mit
einer sanften Landung in der Gegenwart, nämlich mit
einem Abstecher nach Bovel, Rofels und Guscha und
mit einer Einkehr im lieblichen Weindorf Fläsch, das in
Würdigung seiner hervorragenden Ortsbildplanung im
Jahr 2010 den Wakkerpreis erhalten hat.
Im militärgeschichtlichen Beitrag von Max Leuener
wird der Zusammenhang zwischen Verkehrslinien und
militärischem Interesse aufgezeigt. Bei den grossen
Auseinandersetzungen der europäischen Geschichte
spielte die Nord-Süd-Achse, die bis zum 19. Jahrhun
dert insbesondere über die St. Luzisteig führte, immer
eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund wird die
historische Bedeutung von Pass und Befestigungsan
lage St. Luzisteig, ausgehend vom Mittelalter bis zum
Durchmarsch der Armee Suworows im Jahr 1799, re
kapituliert. Ein Überblick über die Entstehung, Ent
wicklung und Bedeutung der aktuellen Festungsanlage
St. Luzisteig seit 1831 bis in das Jahr 2010 bereitet das
Terrain vor für die engagierte und kenntnisreiche Schil
derung von Auftrag und Ausführung der Aufgaben der
Waffenplatzkommission Schweiz-Liechtenstein. Zen
traler und alles beschleunigender Ausgangspunkt der
zwischenstaatlichen Verhandlungen um den Waffen
platz St. Luzisteig, die schon seit den 1960er Jahren
im Gang waren, war der durch das Militär verursachte
und für die Gemeinde Balzers äusserst bedrohliche
und gefährliche Waldbrand vom 5. Dezember 1985.
Er war, nach zahlreichen früheren Brandvorkommnis-