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«Anlässlich der Inspektion der Steinbrüche bei Balzers des
Johann Frick in Balzers und des Johann Kubli in Trüb
bach am 29. September 1905 wurde die Wahrnehmung
gemacht, dass nicht alle Vorsichtsmassregeln, welche für
derartige Betriebe geboten erscheinen, beobachtet werden.»
Als direkte Folge der Inspektion gelangte er im Oktober
1905 an die Regierung in Vaduz mit dem Ziel, eine
Betriebsordnung für den Steinbruch in Balzers zu er
lassen. Er arbeitete schliesslich im Oktober 1906 eine
Betriebsordnung für die beiden Balzner Steinbrüche
von Johann Frick und Jakob Kubli in Balzers aus, Lan
desverweser Karl von In der Maur ergänzte und geneh
migte dieselbe mit einigen persönlichen Hinweisen.
Hauptziel der Betriebsordnung war die Verbesserung
der Arbeitssicherheit, wobei in verschiedenen Gefahren
bereichen angesetzt wurde. So sollte das Aufsichts
personal verpflichtet werden, den Steinbruch täglich
zu begehen, um Erdabrutschungen oder Felsstürze
rechtzeitig vorhersehen zu können. An gefährlichen
Lagen sollten «Seile in Griffweite» eines j eden Arbeiters
den häufig vorkommenden Abstürzen Vorbeugen.
Besondere Vorsicht war bei Abräumarbeiten geboten.
Wie die Vergangenheit gezeigt hatte, war dies ein Be
reich, in dem es immer wieder zu schweren Unfällen
durch Rutschungen, Stürze oder sich unvermittelt
bewegendes Material gekommen war. Grössere
Sprengungen, insbesondere das «Niederlegen ganzer
Wände», mussten neu beim Ortsvorsteher vorgängig
angemeldet werden. Die Betriebsordnung legte zudem
fest, dass das billige, aber äusserst riskante so genannte
«Unterschiessen» überhängender Gesteinspartien zu
vermeiden sei. Ebenso sollte eine Beobachtungsfrist
von 24 Stunden eingeführt werden, wenn nach einer
erfolgten Sprengung eine Felswand nicht unmittelbar
hei. Erst danach durfte die Wand beschritten und ge
nauer untersucht werden.
Weitere Regelungen betrafen die Kontrolle der ver
wendeten Sprengmittel. Neu sollten Sprengstoffmengen
ab drei Kilogramm nur noch in entsprechend gesicherten
und dafür angelegten Magazinen aufbewahrt werden
dürfen. Gesprengt wurde damals mit Schwarzpulver,
später und seltener mit Dynamit, das eine ungleich
höhere Sprengkraft entwickelte. Besonders vorsichtig
galt es beim Umgang mit gefrorenen Sprengladungen
zu sein. 1907 kam es beispielsweise zu einem schwe
ren Arbeitsunfall, als sich eine Sprengladung frühzeitig
entlud und zwei mit Sprengvorbereitungen beschäf
tigte Arbeiter mehrere Meter weit gegen eine Fels
wand schleuderte. Einer der Arbeiter wurde dabei von
durch die Wucht der Explosion herumgeschleuderten
Steinen getroffen und schwer verletzt.
Da es noch keine eigentliche Ausbildung im Umgang
mit Sprengstoffen gab, hielt die Betriebsordnung all
gemein fest, dass zu den Sprengarbeiten nur solche
Arbeiter verwendet werden sollten, welche zuverlässig
und mit der Behandlung der Spreng- und Zündmittel
vollkommen vertraut wären. Beim Laden müsste zu
dem jeweils entweder ein Vorarbeiter oder Aufseher
anwesend sein. Auch für die Durchführung von Spren
gungen oder «Schüssen», wie man sie früher nannte,
galten nun einfache, aber verbindliche Sicherheits
massnahmen:
«Die Zündschnur muss für jeden Schuss die nötige Länge
und Brenndauer haben, damit sich die Arbeiter genügend
weit entfernen und bergen können. Sämtliche Zugänge
zum Orte, wo Schüsse abgetan werden sollen, sind zu
bewachen und die üblichen Wamungssignale durch in
Pausen von 3-5 Minuten vor dem Zünden dreimal zu
wiederholende langgedehnte Rufe <Feuer> zu geben. Auf
den ersten Ruf<Feuer> haben alle im Bruche Beschäftigten
die gesicherten Unterstände aufzusuchen.»
Abschliessend drängte Gewerbeinspektor Stipperger
insbesondere darauf, dass alle Steinbrucharbeiter von
den Unternehmern nicht nur bei einer Krankenver
sicherung, sondern dringend bei einer Unfallversiche
rung gemeldet werden müssten, was bislang nicht der
Fall war. Teils hatten die Arbeiter ausschliesslich eine
Krankenversicherung, teils erfolgte diese sogar auf eige
ne Kosten und Tagelöhner verfügten bislang ohnehin
über keinen Versicherungsschutz. Für alle Arbeitsun
fälle mit Verletzten galt nun die Verpflichtung, unmit
telbar einen Arzt beizuziehen. Auch war eine Meldung
an die Gemeinde beziehungsweise von dieser wieder
um eine Meldung an die Regierung zu erstatten. 1910
wurde schliesslich eine neue Gewerbeordnung für das
Fürstentum Liechtenstein erlassen. Darin war eine
Versicherungspflicht für alle Arbeiter in Steinbrüchen
vorgesehen. Als die Gewerbeordnung fünf Jahre später
in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld revidiert
und gelockert wurde, blieb dieser Passus enthalten und
wurde gar auf die im Steinbruch häufig beschäftigten,
meist ausländischen Tagelöhner ausgedehnt.
Zu den Blütezeiten des Steinbruchs, als an die 40 Per
sonen dort beschäftigt waren, ergab sich auch durch
die riskanten Arbeitsbedingungen und die hohe Perso
naldichte ein sehr hohes Unfallrisiko. Aus dem Jahr