Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2014) (2014)

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3Ji»I|eRÖ< [Einges.] Endlich lässt sich einmal - in 
einem Eingesandt aus Schaan - eine Stimme über 
das Lavena-Kraftwerk vernehmen, man war schon 
geneigt zu glauben, die Sache wäre eingeschlafen. 
Ausserhalb unserer Grenze werden so wichtige 
Angelegenheiten, wie die Errichtung des Landes- 
Elektrizitätswerkes eine ist, in der Presse ausgiebig 
erörtert und es tragen solche Besprechungen in der 
Öffentlichkeit ungemein viel zur Klärung solcher 
Fragen bei. Hoffentlich geschieht dies auch in Liech 
tenstein künftighin häufiger, als es bis jetzt der Fall 
war; denn nur mit der Kannegiesserei am Wirtstisch 
ist nichts gemacht. 
Wir Balzner vernehmen jedes Anzeichen, das ein 
Zustandekommen des Elektrizitätswerkes erhoffen 
lässt, mit Freude, und wenn das in Aussicht gestellte 
Gutachten von Ing. Kürsteiner die Sache günstig be 
urteilt, so würden wir ohne Bedenken für die sofor 
tige Inangriffnahme des Werkes - nach Ausstellung 
des definitiven Projektes - stimmen. 
Herr Ing. Kürsteiner hat uns bei der Erstellung der 
Melsner Wasserleitung gute Dienste geleistet und 
sich dabei unser volles Vertrauen erworben. 
Eine Prüfung auch der Rentabilität des Werkes darf 
selbstverständlich nicht versäumt werden, aber wenn 
sich auch für den Anfang, also für die ersten Betriebs 
jahre, ein Gewinn nicht herausrechnen lassen sollte, 
so darf das kein Hinderungsgrund für die Ausführung 
dieses für uns so viel versprechenden Kulturwerkes 
sein, denn es handelt sich nicht bloss um die Einfüh 
rung des elektrischen Lichtes, sondern der Umstand, 
dass die Handwerker leistungsfähiger werden, wenn 
ihnen die Möglichkeit mit billiger motorischer Kraft 
zu arbeiten gegeben ist, ist ebenfalls von grosser 
Wichtigkeit. Auch in der Landwirtschaft lässt sich 
die elektrische Kraft auf vielerlei Art nutzbringend 
verwenden. Dass sich auch für etwaige überschüssige 
Kraft Abnehmer finden werden, ist sicher zu erwar 
ten. Wenn das aufgewendete Kapital so viel Rente 
abwirft als die Wertpapiere, welche das Land zu kau 
fen gezwungen ist, um die überschüssigen Sparkassa 
gelder anzulegen, so soll man vollauf zufrieden sein; 
die Hauptsache ist, dass der Strom billig abgegeben 
werden kann. 
Im Vorarlberger Volksblatt sind vor einiger Zeit ver 
schiedene Artikel erschienen, die sich mit unserem 
Elektrizitätsversorgungsprojekt befassen und die be 
weisen sollen, dass es ein recht unkluges Unterfangen 
der Liechtensteiner sei, ein eigenes Werk erstellen zu 
wollen. Es war köstlich zu lesen, wie gut es die Feld- 
kircher mit uns meinen, wie sie bestrebt sind, uns 
vor Schaden zu bewahren. Das Feldkircher Elektri 
zitätswerk rechnete so sicher auf ganz Liechtenstein, 
dass es bei Erstellung der Beleuchtungsanlagen für 
die Gemeinden Mauren und Eschen die Zuleitungs 
drähte so stark vorgesehen hat, dass dieselben für das 
ganze obere Liechtenstein mit ausreichen würden. 
Auch eine Dampfturbine von 3’000 Pferdekräften, 
die Feldkirch nachträglich angeschafft hat, soll zum 
Teil für Liechtenstein gemünzt gewesen sein. 
Das Feldkircher Werk besitzt eine Wasserkraft von 
ca. 900 Pferdekräften. Das Lavenawerk wird, wie 
man hört, ungefähr die gleiche Kraft erhalten, hat 
aber noch den grossen Vorzug, dass es von reinem 
Quellwasser gespeist wird, während ersterem nur das 
schmutzige Illwasser zur Verfügung steht, und dieser 
Umstand fällt inbezug auf Abnützung der Turbinen 
und somit auch auf die Rentabilität der Gesamt 
anlage ganz bedeutend ins Gewicht. Bei Verwen 
dung einer Dampfturbine für die Zeiten geringerer 
Ergiebigkeit der Quellen während den Wintermona 
ten, könnte die Lavena-Wasserkraft um vielleicht 
100 Prozent erhöht werden. 
Schon seit Ur-ur-grossväterzeiten werden die Feldkir 
cher durch uns Liechtensteiner in Nahrung gesetzt 
und jedenfalls zum Danke hiefür wollen sie uns jetzt 
ein besseres Licht aufstecken, aber wir Liechtenstei 
ner haben kein Verständnis für solche Geschenke, 
denn wir haben allen Anlass, der Vermutung Raum zu 
gewähren, dass, wenn die Feldkircher Elektrizitäts- 
Gesellschaft uns Liechtensteiner erst einmal alle bei 
sammen in ihrem elektrischen Leitungsnetz gefangen 
hätte, der Strompreis für uns gewaltig in die Höhe 
gehen würde. 
Obeirheinische Nachrichten, 9. Mai 1914
	        

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