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3Ji»I|eRÖ< [Einges.] Endlich lässt sich einmal - in
einem Eingesandt aus Schaan - eine Stimme über
das Lavena-Kraftwerk vernehmen, man war schon
geneigt zu glauben, die Sache wäre eingeschlafen.
Ausserhalb unserer Grenze werden so wichtige
Angelegenheiten, wie die Errichtung des Landes-
Elektrizitätswerkes eine ist, in der Presse ausgiebig
erörtert und es tragen solche Besprechungen in der
Öffentlichkeit ungemein viel zur Klärung solcher
Fragen bei. Hoffentlich geschieht dies auch in Liech
tenstein künftighin häufiger, als es bis jetzt der Fall
war; denn nur mit der Kannegiesserei am Wirtstisch
ist nichts gemacht.
Wir Balzner vernehmen jedes Anzeichen, das ein
Zustandekommen des Elektrizitätswerkes erhoffen
lässt, mit Freude, und wenn das in Aussicht gestellte
Gutachten von Ing. Kürsteiner die Sache günstig be
urteilt, so würden wir ohne Bedenken für die sofor
tige Inangriffnahme des Werkes - nach Ausstellung
des definitiven Projektes - stimmen.
Herr Ing. Kürsteiner hat uns bei der Erstellung der
Melsner Wasserleitung gute Dienste geleistet und
sich dabei unser volles Vertrauen erworben.
Eine Prüfung auch der Rentabilität des Werkes darf
selbstverständlich nicht versäumt werden, aber wenn
sich auch für den Anfang, also für die ersten Betriebs
jahre, ein Gewinn nicht herausrechnen lassen sollte,
so darf das kein Hinderungsgrund für die Ausführung
dieses für uns so viel versprechenden Kulturwerkes
sein, denn es handelt sich nicht bloss um die Einfüh
rung des elektrischen Lichtes, sondern der Umstand,
dass die Handwerker leistungsfähiger werden, wenn
ihnen die Möglichkeit mit billiger motorischer Kraft
zu arbeiten gegeben ist, ist ebenfalls von grosser
Wichtigkeit. Auch in der Landwirtschaft lässt sich
die elektrische Kraft auf vielerlei Art nutzbringend
verwenden. Dass sich auch für etwaige überschüssige
Kraft Abnehmer finden werden, ist sicher zu erwar
ten. Wenn das aufgewendete Kapital so viel Rente
abwirft als die Wertpapiere, welche das Land zu kau
fen gezwungen ist, um die überschüssigen Sparkassa
gelder anzulegen, so soll man vollauf zufrieden sein;
die Hauptsache ist, dass der Strom billig abgegeben
werden kann.
Im Vorarlberger Volksblatt sind vor einiger Zeit ver
schiedene Artikel erschienen, die sich mit unserem
Elektrizitätsversorgungsprojekt befassen und die be
weisen sollen, dass es ein recht unkluges Unterfangen
der Liechtensteiner sei, ein eigenes Werk erstellen zu
wollen. Es war köstlich zu lesen, wie gut es die Feld-
kircher mit uns meinen, wie sie bestrebt sind, uns
vor Schaden zu bewahren. Das Feldkircher Elektri
zitätswerk rechnete so sicher auf ganz Liechtenstein,
dass es bei Erstellung der Beleuchtungsanlagen für
die Gemeinden Mauren und Eschen die Zuleitungs
drähte so stark vorgesehen hat, dass dieselben für das
ganze obere Liechtenstein mit ausreichen würden.
Auch eine Dampfturbine von 3’000 Pferdekräften,
die Feldkirch nachträglich angeschafft hat, soll zum
Teil für Liechtenstein gemünzt gewesen sein.
Das Feldkircher Werk besitzt eine Wasserkraft von
ca. 900 Pferdekräften. Das Lavenawerk wird, wie
man hört, ungefähr die gleiche Kraft erhalten, hat
aber noch den grossen Vorzug, dass es von reinem
Quellwasser gespeist wird, während ersterem nur das
schmutzige Illwasser zur Verfügung steht, und dieser
Umstand fällt inbezug auf Abnützung der Turbinen
und somit auch auf die Rentabilität der Gesamt
anlage ganz bedeutend ins Gewicht. Bei Verwen
dung einer Dampfturbine für die Zeiten geringerer
Ergiebigkeit der Quellen während den Wintermona
ten, könnte die Lavena-Wasserkraft um vielleicht
100 Prozent erhöht werden.
Schon seit Ur-ur-grossväterzeiten werden die Feldkir
cher durch uns Liechtensteiner in Nahrung gesetzt
und jedenfalls zum Danke hiefür wollen sie uns jetzt
ein besseres Licht aufstecken, aber wir Liechtenstei
ner haben kein Verständnis für solche Geschenke,
denn wir haben allen Anlass, der Vermutung Raum zu
gewähren, dass, wenn die Feldkircher Elektrizitäts-
Gesellschaft uns Liechtensteiner erst einmal alle bei
sammen in ihrem elektrischen Leitungsnetz gefangen
hätte, der Strompreis für uns gewaltig in die Höhe
gehen würde.
Obeirheinische Nachrichten, 9. Mai 1914